Artikel 3. Dezember 2010 |
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NASA verschiebt letzten Flug der DISCOVERY auf Anfang Februar
Es werde noch mehr Zeit benötigt, um die Ursache für die Risse in den Stringern herauszufinden - auch Start der ENDEAVOUR verschiebt sich dadurch
"Es wird Zeit, einen anderen Weg zu verfolgen, und das beginnt mit einigen Testdaten", meinte Bill Gerstenmaier, der Chef für Weltraumoperationen am Hauptquartier der NASA in der US-Hauptstadt Washington. "Was wir ganz generell mit diesen Tests erreichen wollen, ist sicherzustellen, daß wir nichts übersehen haben; wir werden sehen, ob diese Tests uns irgendwelche neuen Informationen bringen, und es hilft uns auch dabei herauszufinden, welches die wahren Probleme sind, an denen wir arbeiten müssen, im Gegensatz zu denen, von denen wir denken, daß sie theoretisch da sein müßten." Davon ausgehend, daß die jetzt anstehenden Arbeiten der NASA die Zuversicht gibt mit dem Start fortzufahren, würde dieser am 3. Februar um 7:34:28 Uhr MEZ am Morgen erfolgen, genau zu dem Zeitpunkt also, an dem die Erde durch ihre Rotation den Startplatz in die Bahnebene der Internationalen Raumstation befördert. Die Landung am Kennedy Raumfahrtzentrum (KSC) könnte entsprechend in den frühen Morgenstunden des 14. Februar erfolgen. Wenn dieser Zeitplan beibehalten werden kann, wird auch der Start der Raumfähre ENDEAVOUR zu einer Mission, um ein $2 Milliarden teueres Physikexperiment zur ISS zu bringen, auf den 1. April um 9:15 Uhr MESZ verschoben werden müssen. Der Start der letzten geplanten Shuttle-Mission, ein Versorgungsflug mit der Raumfähre ATLANTIS, bliebe weiterhin für nächsten Sommer angedacht. Aber dieser Zeitplan hängt davon ab, daß die Ingenieure in der Lage sind, die größeren Fragen über die Fähigkeit von DISCOVERYs Außentank, den Belastungen beim Betanken zu widerstehen, zu lösen.
Die Techniker reparierten auch die Risse in den Stringern, indem sie Ersatzbleche einfügten, sie mit doppelt so dicken Klammern verstärkten und den Isolierschaum erneut darüber auftrugen. Aber herauszufinden, was die eigentliche Ursache für das Abreißen der Stringer am oberen Spant des Intertankbereiches, direkt unterhalb des Sauerstoffbehälters, war, entwickelte sich zu einer größeren technischen Herausforderung. Bevor die DISCOVERY wieder für den Start freigegeben werden kann, müssen die Ingenieure verstehen, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür werden kann, daß sich neue Risse bilden, die entweder zu größeren Schaumabplatzern führen, die den Orbiter während des Aufstiegs in die Erdumlaufbahn gefährden können, oder die sogar die strukturelle Integrität des Tanks selbst verringern. "Wir haben einen Punkt erreicht, wo es keine offensichtliche Antwort für das gibt, was passiert ist", erklärte John Shannon, Leiter des Space-Shuttle-Programms am Johnson Raumfahrtzentrum (JSC) der NASA in Houston im US-Bundesstaat Texas. "Was das bedeutet, ist, daß wir jetzt den nächsten Schritt machen müssen und tiefer in die Details gehen müssen, um zu verstehen, mit welchen Arten von Spannungen die Stringer während des Montageprozesses beaufschlagt worden sein könnten, schauen, wie diese sich aufbauen, um Spannungen in diesen Stringern zu erzeugen, und wir müssen das mit einer Demonstration nachweisen. Analysen [allein] bringen uns hier nicht mehr weiter."
Von der Aluminium-Lithium-Leichtbaulegierung, die für den Bau der Shuttle-Außentanks verwendet wird, ist bekannt, daß sie brüchiger ist, als der schwerere Aluminiumwerkstoff, der für frühere Tanks verwendet wurde. Risse in Komponenten aus Aluminium-Lithium sind nicht ungewöhnlich: Im Schnitt wird während der Fertigung einer pro Tank gefunden und repariert; aber die Risse am Tank der DISCOVERY sind die ersten, die erst auf der Startrampe entdeckt wurden und die offensichtliche Folge von Kälteverzugsspannungen sind. Die Strukturkomponenten der Außentanks ziehen sich leicht zusammen, wenn sie den extrem niedrigen Temperaturen der Raketentreibstoffe ausgesetzt werden. Die Risse traten in diesem Fall nahe des oberen Endes des Intertankbereiches auf, wo die insgesamt 108 Stringer an einem rundumlaufenden Trägerring, "Spant" genannt, angenietet sind. Der Spant ist gleichzeitig auch der untere Tragring des Flüssigsauerstoffbehälters. Durch den Kälteverzug beim Befüllen des Sauerstofftanks mit -170 °C kalter Flüssigkeit zieht sich der Spant im Durchmesser um 2,5 cm zusammen, was dazu führt, das die Enden der Stringer nach innen gebogen werden. Allerdings ist die Struktur so ausgelegt, daß sie die resultierenden Verzugsspannungen verträgt. Die Ingenieure vermuten nun, daß die Stringer unerwarteterweise bereits unter einer gewissen Vorspannung standen, die dann, als der Tank am 5. November mit Treibstoffen befüllt wurde, zusammen mit den normalen Kälteverzugsspannungen an den Befestigungsstellen zur Überschreitung der Festigkeitsgrenzen des Werkstoffes führten und die Entspannungsrisse in den zwei Stringern zur Folge hatte. Allerdings ist noch unklar, wie dies genau ablief, und als Folge sind die Ingenieure nicht in der Lage, die Reaktion des Tanks auf die einwirkenden Kräfte, die während eines weiteren Betankungsvorgangs und schließlich auch beim Start auftreten, genau nachzubilden. Um nun besser zu verstehen, was dabei genau vorgeht, sind zwei größere Tests geplant. Eine Gruppe von Ingenieuren soll ein wirklichkeitsgetreues Modell des gerissenen Teils des gerippten Intertankbereiches aufbauen, einschließlich absichtlicher Fehler. Die Idee ist, nach Möglichkeit die Beschädigung vom 5. November zu reproduzieren. Am Kennedy Raumfahrtzentrum sollen derweil Dehnungsmeßstreifen und Temperaturfühler am Tank der DISCOVERY angebracht werden, bevor später im Monat ein Betankungstest durchgeführt wird, bei dem Daten über die tatsächlichen Kälteverzugsspannungen gesammelten werden sollen, die beim Befüllen der Tankbehälter mit kryogenen (superkalten) Flüssigkeiten auftreten. Neben den Meßfühlern werden auch Stereokameras zum Einsatz kommen, mit denen bestimmt werden soll, um wieviel sich der Tank beim Befüllen tatsächlich zusammenzieht.
"Wir hatten anfangs gehofft, daß es einfach nur eine Art von ziemlich offensichtlichem Fehler sei. War aber nicht. Dann hatten wir gehofft, daß eine einfache Kryobetankung alle Lasten beim Aufstieg abdecken würde. Das war schon nah dran, traf es aber noch nicht ganz. Also müssen wir jetzt zur nächsten Stufe weitergehen, ... um die eigentliche Ursache zu finden und zu bestimmen, welches unser Auswahlkriterium sein soll, nach dem wir mit Zuversicht sagen können, ob der Tank geflogen werden kann [oder nicht]." Die Ingenieure hoffen nun, den Test am 16. Dezember durchführen zu können. Das würde ihnen noch genügend Zeit geben, den Startaufbau mit der DISCOVERY zurück in's Montagegebäude (VAB) des KSC zu rollen, wo, falls erforderlich, zusätzliche Röntgeninspektionen durchgeführt werden sollen, um ihn anschließend rechtzeitig für einen Start am 3. Februar wieder auf die Rampe hinauszurollen. Zu diesem Zeitpunkt gibt es aber noch keine Pläne für ein Zurückrollen. Sollten die Verantwortlichen der NASA letztlich entscheiden, auch die Stringer auf der Rückseite des Tanks zu inspizieren, wird ein Zurückrollen unumgänglich, da diese Bereiche nur über Arbeitsplattformen im VAB zugänglich sind. Wenn der Betankungstest stattfindet, wird er wie das Betanken bei einen tatsächlichen Startcountdown durchgeführt. "Ich möchte einen Test in Flugkonfiguration", erklärte Shannon. "Das bedeutet, daß wir den Schaum entfernen würden, diesen hübschen Schaum, den sie gerade (für die Reparaturen) auf den Tank aufgetragen haben, den würden wir entfernen, dann würden wir unsere Sensoren dort anbringen und dann packen wir den ganzen Schaum wieder darüber. Weil ich nämlich so genaue Modelle wie möglich von den Spannungen und den Temperaturen in diesem Bereich in einer Flugkonfiguration haben will. Das dauert natürlich. Und das ist dann auch das, was uns letzlich aus dem Dezember-Fenster herausgeworfen hat." Die NASA hatte ursprünglich gehofft, die DISCOVERY am 1. November zu starten, aber der Start mußte erst um einen und dann um zwei weitere Tage verschoben werden, um eine Schnelltrennkupplung in der Fluidleitung der Steuerbordgondel des Orbitalmanövriersystems (OMS) der DISCOVERY auszutauschen. Danach mußte der Start aufgrund eines Fehlers in der Elektrik eines Hauptriebwerkssteuergerätes um 24 Stunden verschoben werden. Die Fehleranalyse zeigte, daß die Ursache dafür wohl bei einem verschmutzten Stromkreisunterbrecher im Cockpit zu suchen war. Ein Startversuch am 4. November mußte schließlich schon vor dem Betanken wegen stürmischen Wetters am KSC abgesagt werden. Der Startversuch am 5. November scheiterte schließlich am undichten Flansch der Wasserstoffgasentlüftungsleitung. Als dann die Risse in den Stringern entdeckt wurden, wurde der Start auf frühestens 30. November verschoben. Der Start wurde dann weiter auf den 3. und schließlich auf frühestens den 18. Dezember weiter verschoben. Nach der PRCB-Besprechung am Donnerstag wurde dann klar, daß noch mehr Zeit benötigt würde, um da Problem zu lösen und der Start wurde auf frühestens 3. Februar verschoben. Quelle:
Spaceflight Now
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