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Artikel 19. Juni 2009
Kleiner Defekt am Treibstofftank könnte Leckage verursacht haben
NASA bereitet Betankungstest vor - flexible zweiteilige Dichtung könnte Problem lösen

Arbeiten an der GUCP
Oben: Techniker vom KSC und United Space Alliance arbeiten nach dem ersten fehgeschlagenen Startversuch an der Trägerplatte für die Wasserstoffgasentlüftungsleitung am Außentank. Die Dichtung, die während der zwei Betankungsvorgänge geleckt hatte, liegt in der runden Vertiefung um die Öffnung der Wasserstoffleitung herum. (Photo: NASA/KSC)
Eine sehr leichte Fehlstellung in der Verschraubung des Flansches, der die Wasserstoffentlüftungsleitung mit dem Außentank der ENDEAVOUR verbindet, ist derzeit der führende Kandidat in den möglichen Erklärungen für die Wasserstofflecks, die die beiden Startversuche der Raumfähre am 13. und 17. Juni hatten fehlschlagen lassen, wie der Leiter des Space Shuttle Programms, John Shannon, am Freitag erklärte.

Die Verwendung eines anderen Dichtungstyps an der Stelle, wo die Entlüftungsleitung der Startrampe an der Seite des Außentanks ansetzt, könnte aber das Problem lösen. Die alternative Bauform der Dichtung sollte einen festeren Sitz ermöglichen und weniger anfällig für die mechanische Schrumpfung und Bewegung aufgrund tiefer Temperaturen sein, die zu einer ungleichmäßigen Spannungsverteilung und so zu Leckagen führen können.

Um dies herauszufinden, planen die Ingenieure auf der Startrampe 39A des Kennedy Raumfahrtzentrums (KSC) einen Betankungstest mit dem superkalten (kryogenen) Wasserstoff-Raketentreibstoff durchzuführen, um die Leckage an der Entlüftungsleitung genau zu messen. Die Leckage tritt üblicherweise erst auf, wenn der Mechanismus kryogenen Temperaturen ausgesetzt wird.

Shuttle-Programmleiter John Shannon erklärte am Freitag gegenüber CBS News, daß wenn der Betankungstest erfolgreich verlaufe, sollte die ENDEAVOUR den neuangepeilten Starttermin 11. Juli einhalten können.

Die NASA hatte ursprünglich versucht, die ENDEAVOUR am 13. Juni zu starten. Aber am frühen Morgen des Tages, als der Tank sich seinem vollen Füllstand näherte, maßen Sensoren ein deutliches Wasserstoffleck an der Bodenverbindungsleitungs-Trägerplatte (GUCP), über die die Wasserstoffgasentlüftungsleitung mittels einer Schnelltrennverbindung am Außentank angebracht ist.

Während der Tank befüllt wird, tendiert der flüssige Wasserstoff bei der niedrigen Temperatur von -253°C ständig dazu zu verdampfen. Die Entlüftungsleitung ist dazu da, um die potentiell gefährlichen Dämpfe aus dem Behälter abzuführen, und so den Innendruck in den erlaubten Grenzen zu halten und Platz für weitere Flüssigkeit zu schaffen. Beim Start wird dann ein Sprengbolzen gezündet und die Entlüftungsleitung fällt vom Außentank weg.

Während eine gewisse Leckage an der Schnelltrennverbindung durchaus akzeptabel ist, bilden Konzentrationen von mehr als 40.000 ppm (parts per million - Teilchen pro einer Million Teilchen), das entspricht 4%, bereits ein zündfähiges Gemisch und sind deshalb ein Grund, einen Countdown abzubrechen.

Diese Grenze wurde während beider Startversuche beim Betanken der ENDEAVOUR überschritten, und nach dem zweiten Startabbruch wurde der Weg für den Start des Lunar Reconnaissance Orbiters der NASA vom US-Luftwaffenstützpunkt Cape Canaveral freigemacht.

ENDEAVOUR's Startfenster schließt an diesem Wochenende aufgrund von Temperatureinschränkungen, die mit der Umlaufbahn der ISS in Zusammenhang stehen. Vorausgesetzt, daß die NASA tatsächlich das Problem mit der Wasserstoffgasentlüftungsleitung rechtzeitig lösen kann, wird sich das nächste Startfenster für die Raumfähre am 12. Juli um 1:39 Uhr MESZ öffnen.

Aber auch dann wird die Raumfahrtbehörde nur vier Tage Zeit haben, die Raumfähre vom Boden zu bekommen, oder der Start muß bis zum 27. Juli zurückgestellt werden, da für den 24. Juli der Start eines russischen PROGRESS-Versorgungstransporters geplant ist.

Zwar kann der PROGRESS sich noch eine Weile im Orbit herumdrücken, muß aber spätestens am 29. Juli an der Raumstation anlegen. Und das bedeutet, das die ENDEAVOUR spätestens am 14. Juli starten muß, um ihre Mission an der ISS zu beenden und rechtzeitig von ihr abzulegen, bevor der PROGRESS ankommt.

Shannon berichtete, daß derzeit drei Ingenieursteams an der Lösung des Problems mit der Entlüftungsleitung arbeiteten. Ein Team wird am Wochenende die Schnittstelle der Entlüftungsleitung präzise vermessen, bevor der Mechanismus in der nächsten Woche auseinandergenommen wird. Diese Messungen werden benötigt, um die Hypothese zur Grundursache zu bestätigen.

Als zweites ist ein Team am Michoud Montagewerk von Lockheed Martin bei New Orleans dabei zu planen, die derzeit verwendete steife Teflondichtung mit einer alternativen flexiblen zweiteiligen Dichtung zu ersetzen, und die mögliche Verwendung von Distanzscheiben am Flansch der Verbindungsleitung zu prüfen, um eine Fehlstellung der Flansche damit auszugleichen.

Und schließlich ist eine Gruppe am Kennedy Raumfahrtzentrum dabei, Pläne für einen Betankungstest zu machen. Wie John Shannon erklärte, werde es etwa 10 Tage dauern, bis diese Pläne fertig wären. Der tatsächliche Betankungstest würde dann kurz danach durchgeführt.

Wie Shannon erläuterte, seien die fraglichen Teile seit dem Startabbruch noch nicht angerührt und quasi in "Quarantäne" versetzt worden. "Das Raumfahrzeug und die Rampe wurden gesichert. Es gab einige Diskussionen (unter den Ingenieuren) über die Grundursache, und sie haben zumindest einen plausiblen Grund für die zwei Lecks."

Die Verbindungsleitung, die den Wasserstoff vom Tank wegführt, ist mittels eines Sprengbolzens über eine Flanschplatte mit einer Aufnahmeplatte am Außentank verbunden, die beide miteinander fluchten müssen. Zwischen den beiden Platten befindet sich eine Teflondichtung, in einer Nutvertiefung des tankseitigen Flansches. Die Leitung, die dort hineinführt, preßt sich unter Druck genau dort hinein.

Als der Tank der ENDEAVOUR vom Montagewerk zum KSC geliefert wurde, habe man daran Messungen durchgeführt und der Flansch an der Seite des Außentanks habe um 0,65 Grad gegen den Uhrzeigersinn schief gestanden, wie Shannon berichtete.

Bei der Montage der externen Trägerplatte mit der Leitung auf den Außentankflansch, werden diese von dem Sprengbolzen oberhalb der runden Leitung zusammengehalten, und das ganze System kann theoretisch um den Sprengbolzen herum rotieren. Wenn die beiden Platten perfekt miteinander fluchten, ist eine Rotation aber nicht möglich, sondern nur eine leichte Auf-/Abwärtsbewegung. Aber dadurch, daß der Flansch schief stehe, ziehe es die ganze Struktur nach rechts, sobald die Apparatur den kryogenen Temperaturen ausgesetzt wird, und das führe zu einem Leck auf der linken Seite.

Das Fluchtungsproblem sei bereits die führende Vermutung nach dem Startabbruch am 13. Juni gewesen. Distanzscheiben seien eingesetzt worden, um eine festere Verbindung zu schaffen, aber die Dichtung habe immer noch geleckt. Die Ingenieure denken nun, daß die zweiteilige Dichtung, die für den anstehenden Betankungstest eingesetzt werden soll, genügend Festigkeit zeigen wird, um den temperaturbedingten asymmetrischen Belastungen zu widerstehen, von der man glaubt, daß sie für die Undichtigkeit verantwortlich sind.

Die Raumfähre DISCOVERY hatte bei ihrem ersten Startversuch ebenfalls durch eine Undichtigkeit in der Entlüftungsleitung am Boden bleiben müssen. Aber in ihrem Fall war der Fluchtungsfehler nicht so groß und nach dem Austausch der Dichtung verlief der nächste Betankungsvorgang ohne Probleme.

Shannon sagte, die Ingenieure hätten angemerkt, daß während vorangegangener Betankungen 18 bis 20 Wasserstoffgaslecks an der GUCP aufgetreten seien, aber bis auf zwei ließen sich alle durch das Schalten des Entlüftungsventil beheben, da sich durch die Erschütterungen die Dichtung offenbar setze.

Die zweiteilige Dichtung wurde bereits bei zwei Betankungsvorgängen eingesetzt, aber die NASA ist wieder zu den ursprünglichen Teflondichtungen zurückgekehrt, da es grundsätzlich zu einer geringeren Leckage führt. Nichtsdestoweniger liegt die Leckage bei den zweiteiligen Dichtung vollkommen im Rahmen der Spezifikationen und erfordert keine korrektiven Maßnahmen.

Sollten während des Betankungstests an der alternativen Dichtung höher als erwartete Leckagen gemessen werden, meinte Shannon, werde das Team wohl umfassendere Arbeiten zum Austausch, Neuausrichtung und Neuverschraubung der Flansche am Außentank in Erwägung ziehen. In diesem Fall werde man die ENDEAVOUR wohl auf einen anderen Außentank aufsetzen und der Start würde sich in der Folge wesentlich weiter verschieben.

Aber die Ingenieure denken, daß das Problem der ENDEAVOUR ein einmaliges ist, das nur mit diesem speziellen Außentank in Verbindung steht. Eine Ersatz-Entlüftungsleitungsträgerplatte war am Michoud Montagewerk an derzeit in Fertigung befindliche Außentanks angebracht worden und bei denen wurde kein vergleichbares Schiefstellungsproblem festgestellt.

"Es ist nichts falsch mit dem Tank", bemerkte Shannon. "Es ist nur, daß die Ausrichtung des Bodensystems nicht ganz zu der Ausrichtung des Flugsystems paßt."

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 20. Juni MMIX