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Artikel 5. März 2013
Nächste SOJUS soll mit beschleunigtem Flugprofil zur ISS fliegen
In sechs Stunden vom Start bis zur Kopplung - Offizielle Freigabe jetzt nach erfolgreichen Tests mit PROGRESS-Transportern

SOJUS an der ISS
Oben: Archivaufnahme einer an der ISS angekoppelten SOJUS. Die Flugdauer dieser bemannten Raumfahrzeuge soll mittels eines neuen Rendezvousflugprofils von knapp zwei Tagen auf nur mehr sechs Stunden reduziert werden. (Photo: NASA)
Die nächsten drei Bewohner der Internationalen Raumstation sollen ihr neues Heim nur sechs Stunden nach dem Start erreichen. Das neue Express-Flugprofil für das russische SOJUS-Raumfahrzeug soll die Zeit reduzieren, die die Raumfahrer in der beengten Kapsel verbringen müssen.

Der beschleunigte Anflug soll am 28. März erfolgen, kurz nach dem Start der nächsten SOJUS, und die Flugzeit von nahezu zwei Tagen auf nur mehr sechs Stunden reduzieren.

Der Start der SOJUS TMA-08M vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan ist für den 28. März um 22:43 Uhr MESZ angesetzt. Die Kopplung am Stationsmodul POISK soll nach bereits vier Erdumläufen um 4:31 Uhr MESZ am 29. März erfolgen.

Das Sechs-Stunden-Rendezvous folgt den Beispielen von mehreren PROGRESS-Transportern, die dieses Flugprofil seit August anwenden, um zur ISS zu kommen.

"Wir haben diesen Anflug mit den Frachtraumfahrzeugen ausprobiert und jetzt versuchen wir es mit den bemannten Raumfahrzeugen", erklärte Sergeij Krikaljow, altgedienter Kosmonaut und Leiter des Gagarin Kosmonautenausbildungszentrums bei Moskau.

Die SOJUS soll die russischen Kosmonauten Pawel Winogradow und Alexander Misurkin, sowie den NASA-Astronauten Chris Cassidy zur ISS bringen, um die Expedition 35 Besatzung zu vervollständigen.

Die russischen Ingenieure haben für die Mission keine Veränderungen an der SOJUS-Kapsel vorgenommen, aber der schnelle Flug zur Station wird ein Test sowohl für die Besatzung als auch für die Flugleittechniker sein.

"Alle Systeme des Raumfahrzeugs sind gleich geblieben, aber die Arbeit ist intensiver", erklärte Winogradow am Montag über einen Übersetzer. "Es gibt keine neuen Systeme oder Modi auf dem Raumfahrzeug, aber die Koordinierungsarbeit der Besatzung sollte besser sein."

Die Inbetriebnahme der SOJUS und die Vorbereitungen für die Kopplung, die typischerweise über einen Zwei-Tage-Zeitraum verteilt ausgeführt wurden, müssen nun in weniger als sechs Stunden geschafft werden.

"Wir pressen den gesamten zeitlichen Ablauf in einen sechsstündigen Rahmen hinein", erläuterte Cassidy.

SOJUS-Kosmonauten und -Astronauten sitzen bei Start und Kopplung in speziell angepaßten Liegesitzen innerhalb des Wiedereintrittsmoduls. Das beschleunigte Rendezvous bedeutet, daß die Besatzung von dem Augenblick an, wo sie auf der Startrampe in ihre Sitze geschnallt werden bis nach der Kopplung für bis zu 10 Stunden ihre SOKOL-Fluganzüge tragen und in den Sitzen bleiben wird.

"Das Interessante an der Sache ist, daß wir nicht die Zeit haben, unsere Raumanzüge abzulegen, also bleiben wir für die ganzen sechs Stunden des Fluges in unseren Sitzen angeschnallt, plus den Aktivitäten vor dem Start. Es wird also ein langer Tag und eine ziemlich lange Zeit in den Sitzen", meinte Cassidy.

Der schnelle Anflug läßt der Besatzung auch keine Zeit, in das Orbitalmodul am vorderen Ende der SOJUS einzusteigen, das Nahrung, Trinkwasser und eine Toilette enthält.

Die Besatzung von SOJUS TMA-08M
Oben: Die Besatzung der SOJUS TMA-08M. Von links: Chris Cassidy, SOJUS-Kommandant Pawel Winogradow und Bordingenieur Alexander Misurkin. Sie sollen bei ihrer (beschleunigten) Ankunft auf dem Außenposten die Expedition 35 Besatzung vervollständigen. (Photo: NASA)
"Es wird ein langer Arbeitstag für die Besatzung werden", meinte Winogradow. "Wir werden für ziemlich lange Zeit aufbleiben - einschließlich der Startvorbereitungen - aber ich denke, es ist viel effizienter so."

Ein Vorteil des Verfahrens ist, daß die Besatzung die Raumstation früher erreicht. Größer als ein Haus mit drei Schlafzimmern beinhaltet der Komplex eine Küche, Badezimmer und eine Menge Freiraum.

"Die SOJUS ist ein sehr kleines Raumfahrzeug", erläuterte Cassidy. "Es wurde für eine bestimmte Aufgabe entwickelt, und die ist Besatzungen erst nach oben und dann wieder nach unten zu bringen ... und es macht eine phantastische Arbeit. Es ist nicht das komfortabelste Gefährt, um dort eine ausgedehnte Zeitspanne zu verbringen. Die Toilette ist gleich neben dem Platz wo man schläft, und das ist gleich neben deinem Kollegen und dem Essen und allem anderen. Es ist so, als ob man den ganzen Tag in einem Smart oder einem VW Käfer verbringen muß: sehr beengt."

Das sechsstündige Rendezvous ist das erste Mal, daß eine ISS-Besatzung dies erfahren wird, aber Astronauten und Kosmonauten haben schon zuvor schnelle Rendezvous-Flugprofile absolviert.

Während des Gemini-Programms in den 1960ern haben Zwei-Mann-Besatzungen nur wenige Stunden nach dem Start an ein Ziel-Raumfahrzeug angekoppelt und in der Frühzeit des SOJUS-Programms, noch zu Zeiten der Sowjetunion, haben die Kapseln auch schon am selben Tag gestartet und ein Rendezvous in der Umlaufbahn ausgeführt.

Die Verantwortlichen hatten aber dann auf das zweitägige Rendezvousprofil übergewechselt, um den Besatzungen mehr Zeit zu geben, sich an die Mikroschwerkraftsumgebung anzupassen und um Treibstoff zu sparen.

"Jetzt haben wir an Bord neue Geräte und neue Rechnerprogramme, so daß das Raumfahrzeug autonomer ist", erklärte Krikaljow. "Damit ist es jetzt möglich, eine Menge Dinge an Bord zu machen, und die Bahnmanöver so zu berechnen, daß sie nicht mehr so viel Treibstoff verbrauchen."

Das schnelle Rendezvous verringert auch die Arbeitskraft, die benötigt wird, um die SOJUS zu betreiben. Statt das SOJUS-Leitzentrum in Rußland mehr als zwei Tage lang besetzt zu halten, wird die volle Personalstärke an SOJUS-Flugleittechnikern nur noch für einen Tag benötigt.

Die Leiter der Raumstation haben im Februar dem Sechs-Stunden-Rendezvousplan für den Flug am 28. März formell zugestimmt, aber die Internationalen Partner haben noch keine grundsätzliche Zustimmung für zukünftige Flüge gegeben, wie der Leiter des Raumstationsprogramms bei der NASA Mike Suffredini erklärte.

Rußland hatte beantragt, das schnelle Rendezvous bei allen folgenden SOJUS-Missionen einsetzen zu dürfen, aber die NASA hatte Bedenken bezüglich des Komforts und der Arbeitsbelastung geäußert, neben den technischen Schwierigkeiten und der präzisen Bahnmechanik, die sich bei Start und Kopplung am selben Tag ergeben.

Eine formale Entscheidung darüber, ob das schnelle Rendezvous auch bei der folgenden SOJUS-Mission im Mai angewendet werden soll, werde nach Angaben von Verantwortlichen der NASA erst im April getroffen.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 6. März MMXIII