Zurück zur Startseite ISS
Zurück zur Startseite Zurück zur ISS-Indexseite
Artikel 1. Oktober 2010
Europas zweites Frachtraumfahrzeug soll im Februar zur ISS starten
JOHANNES KEPLER hat nur schmales Startfenster zur Verfügung - Transporter wartet aber mit einigen Verbesserungen und Kapazitätsvergrößerung auf

ATV2 Frachtmodul
Oben: Das Frachtmodul des 2. ATVs JOHANNES KEPLER bei der Vorbereitung am Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guyana. (Photo: Arianespace)
Nachdem kommerzielle Interessen den Start in's nächste Jahr geschoben haben, wird Europas nächster orbitaler Frachttransporter versuchen, die Internationale Raumstation in einem engen Ankunftsfenster im Februar zu erreichen. Damit verschiebt sich auch der Start der letzten offiziell geplanten Space Shuttle Mission um einen Tag.

Die NASA verschiebt den Start der Raumfähre ENDEAVOUR um einen Tag, um dem Automatisierten Transferfahrzeug (ATV) die Möglichkeit zu geben, am 26. Februar an der Raumstation anzulegen. Der robotische Frachttransporter soll am 15. Februar starten.

Die Mission STS-134/ENDEAVOUR soll nun am 27. Februar starten, einen Tag später als ursprünglich angekündigt. Die ENDEAVOUR wird am 1. März am Orbitalkomplex ankommen und am 9. März wieder abfliegen.

Rußland hat zugestimmt, die Start- und Landevorhersagen für seine SOJUS-Raumfahrzeuge im März zu überdenken, um Konflikte mit dem Betrieb des Shuttles und des ATVs zu vermeiden, sollten sich ihre Starts weiter verzögern.

Japans H-II-Transferfahrzeug, das im Januar starten soll, soll die Raumstation um den 24. Februar wieder verlassen.

Die Verantwortlichen des Programms ziehen es vor, nur eine größere Mission gleichzeitig an der Station zu Besuch zu haben, d. h. keine Überschneidungen bei den Ankünften und Abreisen von amerikanischen, russischen, europäischen und japanischen Raumfahrzeugen.

Die Partner verhandelten die Änderungen im Manifest auf dem 61. Internationalen Astronautischen Kongress in Prag in der letzten Septemberwoche.

Das zweite ATV mit dem Eigennamen JOHANNES KEPLER, wurde bereits für einen Start auf einer Ariane 5 im Dezember vorbereitet. Arianespace hat stattdessen nun zwei Kommunikationssatelliten für diesen Flug vorgesehen, um seine kommerziellen Verpflichtungen zu erfüllen.

Das Anlegen am 26. Februar ist die beste Gelegenheit für das ATV, um den Außenposten vor Ende April zu erreichen, wenn sich ein größeres Fenster in dem überfüllten Verkehrsaufkummen um die Station herum öffnet, wie Vertreter der NASA erklärten.

Simonetta Di Pippo, die Verantwortliche der Europäischen Raumfahrtagentur ESA für bemannte Raumfahrt erklärte in dieser Woche, daß das zweite ATV aus technischer Sicht her im Dezember hätte startbereit sein können.

ATV2 Servicemodul
Oben: Das Servicemodul des 2. ATVs mit Antrieb, Stromversorgung und Flugsteuerung. (Photo: Arianespace)
Seit der Verschiebung hat die Raumfahrtagentur viele seiner ATV-Ingenieure von der Ariane-Startbasis bei Kourou in Französisch Guyana nach Europa zurückgeholt. Techniker hatten bereits den größten Teil der Trockenfracht, einschließlich der Nahrungsmittel, verladen.

Die Verantwortlichen bemühen sich, das ATV pünktlich zu starten, um im März oder April eine wichtige Bahnanhebung der ISS durchführen zu können. Die europäischen Versorger sind in der Lage, die größten Bahnanhebungsmanöver durchzuführen, die für die Station benötigt werden.

Die einzigartige Ariane 5 Trägerkonfiguration, die für den Start des ATV benötigt wird, erfordert mehr Zeit zwischen zwei Raketenmission am Guyana Raumfahrtzentrum. Normalerweise dauert es acht Wochen, um von einem Start einer kommerziellen Ariane 5 Rakete mit einer kryogenen Oberstufe zu einer ATV-Version der Trägerrakete, die lagerfähige Treibstoffe in der zweiten Stufe verbrennt, zu wechseln.

Die Wechselzeit wird Anfang nächsten Jahres eine hektische Betriebsamkeit auslösen, damit das ATV das schmale Andockfenster einhalten kann.

Größere Kapazität

Europas zweites ATV wird, wenn es im Februar vom Raumhafen Kourou in Französisch Guyana zur Internationalen Raumstation abhebt, mehr Versorgungsgüter, Treibstoff und Atemluft transportieren, als sein Vorgänger.

Das im Vergleich zu den unbemannten Transportern der übrigen Partnern am ISS-Programm riesige Raumfahrzeug soll nach dem Start noch acht Tage im eigenständigen Flug verbringen, bevor es am russischen Servicemodul SWESDA des Außenpostens anlegt.

Das Raumfahrzeug war bereits im Mai in drei Teilen von der Montagefabrik von EADS Astrium in Bremen nach Französisch Guyana transportiert worden. Diese sind der integrierte Frachtbereich, die Raumfahrzeugplattform mit der Flugelektronik und den Antriebsblöcken, und das Abtrennungssystem, welches im Prinzip der Adapter zwischen der Ariane Trägerrakete und dem ATV ist.

Der Frachtbereich und die Raumfahrzeugplattform sollten Ende September zusammengebaut worden sein.

Das zweite ATV JOHANNES KEPLER hat mehrere Aufwertungen gegenüber seinem Vorgänger JULES VERNE erfahren, die sowohl die Frachtkapazität erhöhen und Lektionen, die man aus dem ersten erfolgreichen Flug von 2008 gelernt hatte, umsetzt.

So haben Ingenieure leichtere Trockenfrachtschränke für die Aufnahme von weichen Versorgungsgüterbeuteln entworfen, durch die rund 50 kg Gewicht pro Schrank eingespart werden konnten.

Die Feststoffstartraketen der Ariane 5 wird mit verschweißten Verbindungsflanschen fliegen, wodurch die Trägerrakete mehr Nutzlastkapazität für die geplante Einschußumlaufbahn des ATVs zur Verfügung stellt.

ATV1 JULES VERNE
Oben: Das erste ATV, JULES VERNE, beim Anflug auf die Raumstation. (Photo: NASA)
Insgesamt erhöhen die Verbesserungen der Nutzlastschränke und der Trägerrakete die Frachtkapazität des ATV um ganze 650 kg.

Zwei Fehlfunktionen, die während des Fluges der JULES VERNE aufgetreten waren, wurden für die JOHANNES KEPLER korrigiert, um sicherzustellen, daß sie nicht wieder auftreten werden.

So konstruierten die Ingenieure die Druckregler im Antriebssystem des ATVs teilweise um, nachdem bei der JULES VERNE Druckungleichgewichte in ihren Treibstofftanks aufgetreten waren. Die Anomalie hatte zwar keinen Einfluß auf die Mission gehabt, da das redundante Drucksystem übernahm und die anfangs fehlerhafte Antriebskette wiederhergestellt werden konnte.

Isoliermatten an der JOHANNES KEPLER haben verstärkte Befestigungsstellen und eine verbesserte interne Entlüftung bekommen, die veranlaßt wurden, nachdem sich an der JULES VERNE einige Matten teilweise abgelöst hatten.

Die zweite ATV-Mission wird nicht die Serie von Einzeltests wiederholen, die von der JULES VERNE, die sich der Station über mehrere Demonstrationstage mit wachsenden ambitionierten Zielsetzungen immer weiter annäherte, ausgeführt wurden. Diese Demonstrationen sind nicht mehr Bestandteil der ATV-2-Mission, wodurch die JOHANNES KEPLER nicht nur die volle, sondern auch noch neue und verbesserte Transportfähigkeiten besitzt.

Die leistungsverbessernden Konstruktionsänderungen plus der Treibstoffeinsparungen durch die nicht mehr benötigten Demonstrationsmanöver, ermöglichen es der JOHANNES KEPLER eine volle Ladung Treibstoff zur Raumstation zu bringen.

Die Triebwerke werden im nächsten Frühjahr, nach dem Shuttle-Flug im März, rund 4000 kg Treibstoff verbrennen, um die Bahnhöhe der Station anzuheben. Der Treibstoff ist ausreichend, um die Bahnhöhe insgesamt um rund 40 km anzuheben. Auf dieser höheren Bahn benötigt die ISS weniger Treibstoff für weitere Bahnanhebungen, da sie dort einem geringeren Luftwiderstand ausgesetzt ist.

JOHANNES KEPLER wird auch 860 kg an hypergolen (kontaktentzündlichen) Treibstoffen, das sind Hydrazin und Stickstofftetroxid, für das russische Segment der Station transportieren.

Arbeiter packen auch 1600 km an Trockenfracht in den druckbeaufschlagten Laderaum des ATVs. Die Stationsbesatzung soll diese Fracht nach dem Anlegen entladen.

Die JOHANNES KEPLER wird kein Trinkwasser an Bord haben, aber 100 kg an Gas für die Stationsatmosphäre.

Nach Angaben der ESA soll die Mission zwischen 400 und 450 Millionen Euro kosten.

Nach vier oder fünf Monaten angekoppelt an der Station soll JOHANNES KEPLER wieder ablegen und mit dem Müll des Außenpostens an Bord beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 1. November MMX