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Artikel 13. November 2002
Wilder Stern
Neue Photos von der Sonne sind so detailreich wie noch nie - Einblicke in das Innenleben von Sonnenflecken

Sonnenflecken
Oben: Eine Weitwinkelaufnahme von Sonnenflecken der aktiven Region 10030. Die Aufnahme wurde gelb eingefärbt um Details hervorzuheben. (Photo: Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften)
Die bisher detailreichsten Bilder, die jemals von der Sonne angefertigt wurden, zeigen das Innere von eindrucksvollen schlangenartigen Filamenten, die von hellen Bereichen der Sonnenoberfläche in die dunklen Herzen von Sonnenflecken hineinreichen. Diese Aufnahmen versprechen den Astronomen einen neuen Weg tief in diese magnetischen Biester hineinzuschauen und ihnen ihre Betriebsgeheimnisse zu entreißen.

Aufgenommen mit einem speziell ausgerüsteten Bodenteleskop zeigen die Photographien Strukturen, wie sie nie zuvor auf der Sonnenoberfläche beobachtet wurden. Die Aufnahmen selbst, und noch mehr die Technik, mit der sie gewonnen wurden, versprechen ein vollständigeres Verständnis des komplexen Wechselspiels zwischen Materie und Energie, das die heiße Oberfläche durcheinanderwirbelt, angetrieben von den thermonuklearen Reaktionen im Kern der Sonne.

Forscher der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm unter der Führung von Goran Scharmer haben diese Bilder in der Ausgabe vom 14. November der Zeitschrift Nature vorgestellt.

Dan Kiselman, Mitglied dieser Forschungsgruppe, beschreibt, was er in den neuen Ansichten von der Sonne sieht:
"Ein im Kern dunkles Filament, das aussieht, wie eine glühende Schlange mit einem dunklen Streifen, der entlang ihres Rückens verläuft. Der 'Kopf' der Schlange ist häufig eine komplizierte Struktur, bei der der Streifen sich unter vielen hellen Punkten aufspaltet."

Die Penumbra
Oben: Die Sonnenaufnahme mit der höchsten Auflösung bisher zeigt einen Teil der aktiven Region 10030. Der Zentralbereich ist dunkel, da die starken Magnetfelder dort das Aufsteigen von heißem Gas aus dem Sonneninneren verhindern. Die Umgebung aus fadenähnlichen Strukturen wird als penumbra bezeichnet. Dunkle Kerngebiete, die niemals zuvor beobachtet wurden, sind deutlich innerhalb einiger heller Filamente der Penumbra zu erkennen, die in die Umbra hinausstoßen. (Photo: Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften)
Die Bilder wurden mit dem erst kürzlich eingerichteten Sonnenteleskop der Akademie auf der Kanareninsel La Palma weit vor der Küste Afrikas. Filme, die durch die Aneinanderreihung nachfolgender Aufnahmen erstellt wurden, zeigen, daß die dunklen Kerne dieser Filamente langlebig und möglicherweise viel stabiler sind, als die helleren Bereiche.

Die Wissenschaftler konnten auch kanalartige Strukturen in der sogenannten Penumbra der Sonnenflecken erkennen, die man als ein Muster aus Rissen beschreiben könnte, wie Kiselman sagt. Die Penumbra erstreckt sich zwischen den dunklen Kernen der Sonnenflecken und den hellen Bereiche auf der Sonnenoberfläche. Aber wie auch immer man sie bezeichnen mag, letztlich handelt es sich bei all dem nur um glühendes Gas.

Die Photos wurden am 15. Juli angefertigt und eingefärbt, um Details hervorzuheben.

Einige Geheimnisse bleiben

Trotz des Detailreichtums der Aufnahmen - die Photos lösen Dinge bis herunter zu einer Größe von 100 km auf - wissen die Forscher immer noch nicht im Detail, wie Sonnenflecken funktionieren.

"Es ist klar, daß alles was wir sehen das Ergebnis eines Wechselspiels zwischen dem Magnetfeld und dem solaren Gas, oder Plasma, ist," erklärt Kiselman. "Die Hitze der Sonne versucht nach oben zu kommen, transportiert von Konvektionsströmungen, die von den Magnetfeldern behindert werden. Aber was nun genau passiert und warum sich ausgerechnet diese Strukturen bilden, wissen wir nicht."

Sonnenkanäle
Oben: Die ersten drei Bilder zeigen kleine Sonnflecken, Poren, mit dünnen dunklenen Linien um sie herum, Haare genannt. In der umgebenden Sonnenoberfläche kann man dunkle Linien erkennen, die als Kanäle bezeichnet werden. Bild d zeigt Filamente mit dunklen Kernen in der Penumbra. (Photos: Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften)
Sonnenflecken sind kühler und dunkler als der Rest der Sonnenoberfläche. Sie sind Startplattformen für komplexe Plasmaaustöße, die durch das Sonnensystem rasen und manchmal farbenprächtige Lichterscheinungen in der Nähe der Erdpole, Nordlichter genannt, auslösen.

Man könnte annehmen, daß Astronomen ein tiefgreifendes Verständnis von der Mechanik unserer Sonne hätten, ist es doch der bei weitem nächste Stern in unserer Umgebung.

"Verglichen mit anderen Sternen könnte man dies für richtig halten," meint Kiselman. "Aber der erstaunliche Zoo von Strukturen und dynamischen Phänomenen auf der Sonne sind im allgemeinen noch nicht verstanden, obwohl sie schon seit sehr langer Zeit beobachtet werden."

Und das zeigt uns, wie wenig wir wirklich über andere Sterne wissen, denn wir werden wohl kaum einen anderen Stern besser verstehen, als unsere eigene Sonne.

SOHO viel besser

Hinsichtlich der Details schlagen die Photos sogar ein Weltraumteleskop, nämlich das Solare und Heliosphärische Observatorium (SOHO). Wie ist es möglich, vom Boden aus bessere Photos zu bekommen, als aus dem All?

Sonnenflecken, SOHO
Oben: Eine Sonnenfleckengruppe, aufgenommen von SOHO am 15. Juli 2002, dem selben Tag, an dem die obigen Aufnahmen der schwedischen Forschergruppe angefertigt wurden. (Photo: ESA/NASA)
"SOHO's Teleskope sind einfach nicht groß genug," erklärt Kiselman. Das Kanarenteleskop hat eine 1 Meter große Öffnung. Solch ein großes Sonnenteleskop muß erst noch in's All gebracht werden.

Teleskope werden zum Teil deshalb in's All geschossen, um den verwaschenden Effekten der Erdatmosphäre zu entgehen. Die neuen Photos wurden durch eine anpassungsfähige Optik möglich, ein System, bei dem die Spiegel verformt werden, um die Verwaschungen herauszukorrigieren.

John Thomas von der Universität von Rochester im US-Bundesstaat New York hat eine Analyse über die neuen Bilder für Nature angefertigt. Er meint, daß die jüngst entdeckten Filamentkerne möglicherweise ein wichtiger Schlüssel sind, um die Penumbra von Sonnenflecken verstehen zu lernen.

Allerdings seien noch viel mehr Aufnahmen von noch höherer Auflösung vonnöten, um diese Geheimnisse zu enträtseln.

Tatsächlich weiß niemand, wo die untere Grenze für sichtbare Strukturen auf der Sonnenoberfläche liegt. Und am Ende könnten noch größere Teleskope mit adaptiven Optiken Strukturen von nur 1 km Größe sichtbar machen.

Quelle: Space.com


letzte Änderung am 14. November MMII