Zurück zur Startseite Shuttle
Zurück zur Startseite Zurück zur Shuttle-Indexseite
Bericht 27. Juli 2005
Vorerst keine weiteren Shuttle-Starts
Überraschende Entscheidung der NASA wird mit großem Isolierschaumstück begründet, das DISCOVERY beim Start verlor

Fehlstellen am Außentank
Oben: Auf dieser Aufnahme vom Außentank, die nach der Abtrennung von der Besatzung der DISCOVERY aufgenommen wurde, sind deutlich die drei Stellen zu erkennen, an denen offensichtlich Isoliermaterial abgeplatzt ist. (Photo: NASA/JSC)
Die NASA hat heute ein Startverbot über die verbliebenen Raumfähren verhängt, nachdem von DISCOVERYs Außentank mehrere Stücke Isolierschaum abgebrochen waren, darunter ein über einen halben Meter langes Stück.

Dieses Problem ist vergleichbar mit dem, das sich beim disaströsen Flug der COLUMBIA im Jahr 2003 ereignete, und von dem man annahm, das es gelöst worden sei.

Verantwortliche des Space-Shuttle-Programms erklärten, obwohl es zur Zeit keine Hinweise dafür gäbe, daß der Schaum den Orbiter an irgendeiner Stelle berührt hätte, hätte der Vorfall sich gar nicht erst ereignen dürfen und sei deshalb ein Grund zukünftige Flüge vorerst auszusetzen.

Aufnahmen, die nach der Abtrennung vom Außentank geschossen wurden, zeigten ganz deutlich die Stellen, an denen sich der Schaum abgelöst hatte.

"Solange wir dies nicht behoben haben, sind wir nicht bereit zu fliegen", erklärte Bill Parsons, der Space-Shuttle-Programmleiter der NASA, während einer Pressekonferenz am Johnson Raumfahrtzentrum. "Man könnte sagen, wir hängen wieder auf dem Boden fest."

Orbiter DISCOVERY und seine siebenköpfige Besatzung waren am Dienstag Nachmittag gestartet und nähern sich zur Zeit der Internationalen Raumstation, an die sie am Donnerstag Mittag anlegen sollen.

Es ist die erste gestartete Raumfähre der NASA seit dem Verlust der COLUMBIA im Jahre 2003, die während des Aufstiegs von einem abgeplatzten Stück Isolierschaum getroffen und kritisch beschädigt worden war. Das Koffergroße Stück Schaum war in die linke Flügelvorderkante eingeschlagen und hatte dort ein Loch in den Hitzeschild gerissen, daß dem Orbiter und seiner siebenköpfigen Besatzung beim Wiedereintritt am 1. Februar 2003 zum Verhängnis wurde.

Das Stück Isolierschaum, das beim Start von DISCOVERYs Außentank abgebrochen war, hatte seinen Ursprung an einer Strömungsschutzleiste, die nahe der Sauerstoffhauptleitung aus dem Tank herausragt und wichtige Kabel und Druckleitungen vor den Kräften von Strömungsturbulenzen schützt. Aktuell wird die Größe des Stückes auf 60-85 cm Länge und 20 cm Breite geschätzt.

"Wir müssen besser werden"

PAL-Rampe
Oben: Diese Nahaufnahme zeigt die Stelle, an der vermutlich das größte Bruchstück vom Außentank abgeplatzt ist. Die schwarze Linie umreißt das Ausmaß der Fehlstelle an der Strömungschutzleiste (PAL-Rampe). (Photo: NASA/JSC)
Die NASA hat zweieinhalb Jahre damit verbracht, Bereiche des Außentanks des Shuttles umzukonstruieren um eben genau solche Isolierschaumverluste zu verhindern und bereits frühe Diskussionen darüber, ob auch Änderungen an der Strömungsschutzleiste (PAL), die von einer dicken Lage Schaum eingehüllt ist, erforderlich seien, wurden von den Ingenieuren negativ beschieden. Als der erste von drei neuen Tanks im Januar 2005 zum Kennedy Raumfahrtzentrum geliefert wurde, hatte die Projektleiterin für den Außentank, Sandy Coleman, erklärt, daß die Modifikationen zum "sichersten und zuverlässigsten Tank geführt haben, den wir jemals für das Shuttle-Programm gebaut haben."

Der Tank, der beim Start von DISCOVERY am Dienstag eingesetzt worden war, war der zweite dieser Tanks gewesen.

"Wir müssen unbedingt besser werden", meinte der stellvertretende Leiter des Shuttle-Programms, Wayne Hale auf der Pressekonferenz und fügte hinzu, daß es ein Glücksfall war, daß sich der Vorfall genau zu diesem Zeitpunkt ereignete. "Hätte ersich früher ereignet, wäre das schlecht gewesen."

Weil die DISCOVERY zu diesem Zeitpunkt bereits eine recht große Höhe erreicht hätte, sei nicht genügend Luft vorhanden gewesen, um das Stück mit genügend großer Geschwindigkeit gegen den Orbiter zu schleudern.

Die Raumfähre ATLANTIS, die zur Zeit für einen Start im September vorbereitet wird, werde nun nicht fliegen, bevor die Ingenieure nicht das Abplatzen des Isolierschaums an der Strömungsschutzleiste vollständig verstanden und eine Lösung dafür gefunden haben, erklärten die Verantwortlichen, und fügten hinzu, daß man nicht wisse, wann eine Verbesserung eingebaut werden könne, ob innerhalb des nächsten Monats, der nächsten drei Monate oder noch bis zum Jahresende. Die DISCOVERY sollte nach der ATLANTIS wieder fliegen.

Der dritte verbliebene Orbiter der NASA, die ENDEAVOUR, befindet sich zur Zeit in ihrer Überholungs- und Ümrüstphase.

Die heutige Ankündung kam am Ende eines Tages, den die Astronauten der DISCOVERY mit einer methodischen Inspektion der Nasenkappe und der Flügelvorderkanten ihres Raumfahrzeugs mit dem neuen Sensorauslegersystem für den Roboterarm der Fähre zugebracht hatten. Mit einer Videokamera an seiner Spitze soll der Ausleger die lebenswichtigen Vorderkantensegmente aus verstärktem Kohlefaserverbundwerkstoff (RCC) und die hitzebeständigen Kacheln inspizieren, die den Orbiter vor der extremen Hitze beim Wiedereintritt schützen.

"Was das Hitzeschutzsystem der DISCOVERY betrifft, sind wir sehr zuversichtlich, aber wir schauen es uns trotzdem genau an", erklärte Parsons.

Weiterer Schaumverlust, bekannte Kachelschäden

Kachelbruchstück
Oben: Auf dieser Aufnahme ist zu sehen , wie ein Stück von einer Hitzeschutzkachel abplatzt und vom Orbiter weggeschleudert wird. Die betroffene Kachel befindet sich an der hinteren Kante der Bugfahrwerksklappe. (Photo: NASA/JSC)
Aufnahmen, die die STS-114-Besatzung mit Handkameras angefertigt hat, zeigen auch andere Stellen am Außentank, wo unerwarteterweise Isolierschaum abgeplatzt war.

Zusätzlich zu dem Vorfall an der Strömungschutzleiste hatte sich auch ein Stück Schaum nahe der Zwebeinstruktur des Tanks gelöst, über die er mit dem Bug des Orbiters verbunden ist. In diesem Bereich hatte man die Schaumauftragung modifiziert und war nun überrascht, dort Schaumablösung zu sehen, wie Parsons zugab. Man müsse sich das jetzt noch einmal anschauen.

Ein wenig unterhalb des Zweibeins, in einer Region, die man Schaumanbaufläche nennt, war auch ein kleines Loch aufgetaucht. Hier wurde der Schaum von einer Maschine auf den Tank aufgetragen, ein Prozess, an dem die NASA-Ingenieure in den letzten zwei Jahren nichts geändert hatte.

"Ich für meine Person bin enttäuscht", meinte Parsons zu dem Schaumverlust, fügte aber hinzu, daß es von Vorteil war, daß er auftrat, ohne die DISCOVERY zu beschädigen. "Wir haben wieder etwas hinzugelernt. Was, wenn es erst drei, vier oder fünf Missionen später passiert wäre?"

Die NASA wußte bereits, daß sie eine beschädigte Kachel nahe der Bugfahrwerksklappe der DISCOVERY hatte.

Hale sagte, daß die Video-Kamera am Außentank das kleine Bruchstück aufgenommen hatte, wie es während des Starts von der DISCOVERY abgefallen war. Ebenso war in den Aufnahmen ein kleiner weißer Bereich auf der Unterseite des Shuttles zu sehen, ein Bereich, dem nun erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt wird, wenn der Orbiter bei der Annäherung an die Raumstation den Astronauten an Bord der ISS seine Unterseite für Photographien zeigt.

"Sind wir besorgt? Wir nehmen diese Sache sehr ernst", meinte Hale zu dem offensichtlichen Kachelschaden. "Raubt uns das nachts den Schlaf? Noch nicht."

Die STS-114-Besatzung wird wahrscheinlich die Kameras auf dem Auslegersensorsystem umrichten, um den Bereich der beschädigten Kachel während einer dreistündigen Aktion am 29. Juli, die bereits für Folgeinspektionen an DISCOVERYs Hitzeschutzsystem eingeplant war, aufzunehmen, fügte Hale hinzu.

Astronauten unterrichtet

Die Besatzungen, sowohl der DISCOVERY, als auch der Internationalen Raumstation, wo zwei Astronauten planen, am Donnerstag Mittag hochauflösende Photos von der kachelbedeckten Unterseite des Orbiters zu schießen, wurden bereits unterrichtet und Datenpakete zur Analyse zu ihren Raumfahrzeugen hochgesandt, berichtete Parsons.

"Sie waren sehr froh über die Daten und wir werden morgen umfangreicher darüber diskutieren", erklärte Parsons.

Während in nächster Zeit voraussichtlich keine Space Shuttles starten werden, wird die NASA dennoch nicht die Vorbereitungen für die Folgemission der DISCOVERY, die Mission STS-121/ATLANTIS, stoppen. ATLANTIS ist bereits auf ihrem Startaufbau aufgesetzt worden und sollte ursprünglich am 9. September starten. Außerdem hatte die NASA die ATLANTIS für einen mögliche Rettungseinsatz vorgesehen, für den unwahrscheinlichen Fall, daß die DISCOVERY so schwer beschädigt sei, daß sie nicht mehr nach Hause nurückkehren könne und die Besatzung gezwungen sei, an Bord der ISS Zuflucht zu suchen. Diese Rettungsmission hatte die Bezeichnung STS-300 erhalten.

"Wir denken, daß die Bedingungen für eine Mission STS-300 zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben sind", meinte Wayne Hale während der Konferenz.

Aber Parsons meinte, sollte es doch notwendig werden, würde diese Entscheidung "sehr schwierig" werden.

In der Zwischenzeit war die Besatzung am Mittwoch Abend zu Bett gegangen und soll um 5:39 Uhr MESZ wieder geweckt werden, um mit den Vorbereitungen für das Anlegen an der ISS zu beginnen. Dasb Andocken ist für 13:18 Uhr am 28. Juli geplant.

Quelle: Space.com


letzte Änderung am 27. Juli MMV