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Artikel 19. August 2010
Aufnahmen von Mondorbiter zeigen einen schrumpfenden Mond
Wissenschaftler sehen frische Verwerfungen auf hochauflösenden Aufnahmen vom Lunar Reconnaissance Orbiter - Hinweise auf einen immer noch geologisch aktiven Mond?

LRO
Oben: Die Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) in der Mondumlaufbahn. (Abbildung: NASA)
Schrumpft der Mond?

Wissenschaftler, die die spektakulären Bilddaten vom Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) der NASA von frischen Verwerfungen auf dem Mond auswerten, ziehen diese Möglichkeit in Betracht.

Scharfe Aufnahmen der Schmalwinkelkamera von LRO zeigen Schubverwerfungen und damit zusammenhängendes treppenartiges Gelände, das über die Oberfläche des Mondes verteilt ist, ein Hinweis darauf, daß der Mond möglicherweise geologisch aktiv sein könnte.

"Ich denke, die allgemeine Vorstellung ist, daß der Mond geologisch tot ist und daß alle wichtigen Ereignisse in der geologischen Geschichte des Mondes Milliarden von Jahren zurück liegen", meinte Thomas Watters, ein höhergestellter Wissenschaftler vom Smithonian's Nationalen Luft- und Raumfahrtmuseum. "Eines der aufregendsten Ergebnisse dieser Forschungsarbeit ist aber, daß dies nicht der Fall ist. Der Mond könnte immer noch geologisch und tektonisch aktiv sein und auch heute noch schrumpfen."

Nach Angaben von Watters ist der Mond in den vergangenen 800 Millionen Jahren wahrscheinlich um rund 90 Meter geschrumpft.

Die Forscher wiesen auf die Schubverwerfungen hin, Bruchzonen in der Mondoberfläche, an denen größere Stücke der Mondkruste aufeinandertreffen. Die Verwerfungen haben Gestein nach oben gedrückt und eine Reihe von Steilhängen geformt, die als "gelappte Abhänge" bezeichnet werden.

Schrumpffalte
Oben: In einem dramatischen Beispiel hat eine Schubverwerfung Krustenmaterial auf die Gegenseite des Einschlagkraters Gregory (2,1° N, 128,1° O) gedrückt. Durch Kartographieren der Verteilung und Ermittlung der Größen aller gelappten Abhänge kann die tektonische und thermische Geschichte des Mondes in den vergangenen Milliarden Jahren rekonstruiert werden. (Photo: NASA/GSFC/Arizona Staatsuniversität/Smithsonian)
Der Gedanke, daß der Mond schrumpfen könnte, ist nicht neu; Wissenschaftler haben schon lange postuliert, daß der Mond sich zusammengezogen hat, während er sich von seiner heißen und wilden Genesis vor vier Milliarden Jahren abkühlte.

Aber die Entdeckungen von LRO weisen darauf hin, daß da immer noch etwas Dynamik innerhalb des Mondes vorhanden ist, die die geologische Aktivität an der Oberfläche antreibt. Und selbst wenn es heute nicht mehr andauert, so wissen die Wissenschaftler doch, daß es nur in der jüngeren Vergangenheit aufgehört haben kann.

"Wo wir früher dachten, daß Veränderungen nur über Milliarden von Jahren abgelaufen sein können, erkennen wir jetzt, daß einige dieser Veränderungen durchaus viel kürzere Zeiträume benötigt haben und möglicherweise sogar noch andauern", erklärte Michael Wargo, der leitende Mondwissenschaftler in der Explorationsabteilung der NASA.

Die gelappten Abhänge durchschneiden einen kleinen Einschlagkrater und sehen auf den Aufnahmen aus der Mondumlaufbahn ursprünglich aus, ein Zeichen dafür, daß sie relativ frisch sind, vielleicht nur eine Million Jahre alt, wie die Wissensschaftler am Donnerstag erläuterten.

Wenn es sich aber vor so kurzer Zeit ereignet hat, dann könnte der Kontraktionsvorgang immer noch fortdauern. Computermodelle zeigen, daß der Mond sich weiterhin abkühlen sollte, wie Watters erklärte.

Wargo meinte, die Beweise für geologisch Aktivität forderten den Blick der Experten auf den Mond heraus.

"Bevor LRO gestartet wurde, war es eine weitverbreitete Meinung, auch unter Wissenschaftlern, daß der Mond ein toter unveränderlicher Planet sei", erläuterte Wargo. "Aber nach nur einem Jahr Beobachtung durch LRO sehen wir genau das Gegenteil, daß der Mond nämlich ein wirklich dynamischer Planet ist."

Watters erklärte, die Steilhänge seien klein. Der größte Abhang sei gerade mal 90 Meter hoch und ziehe sich über mehrere Kilometer hin. Andere seien sogar noch kleiner.

Weil die Abhänge von so bescheidener Größe sind, können viele der Verwerfungen nur auf den hochauflösenden Aufnahmen von LRO ausgemacht werden. Rund 10 Prozent der Mondoberfläche seien John Keller, dem stellvertretenden LRO-Projektwissenschaftler, zufolge bislang in dieser Genauigkeit kartographiert worden.

Es könnte noch drei weitere Jahre dauern, um eine detaillierte Karte vom Mond in einer Auflösung von weniger als einem Meter fertigzustellen, deshalb erwarte man weitere Entdeckungen in der Zukunft, wie die Verantwortlichen des Projekts verlauten ließen.

Taurus-Littrow-Tal
Oben: Der Lee-Lincoln-Verwerfungsabhang ist hier in der linken Hälfte dieses Modells des Taurus-Littrow-Tales zu sehen, dem Ort der Apollo 17 Landung. Die Landestelle des Mondlandemoduls ist mit dem Pfeil markiert. (Photo: NASA/GSFC/Arizona Staatsuniversität/Smithsonian)
Einer der Abhänge war von Astronauten im Dezember 1972 erkundet worden. Die Verwerfung befindet sich im Taurus-Littrow-Tal, nur wenig westlich von der Apollo 17 Landestelle.

Watters sagte, daß die Wissenschaftler jetzt eine mögliche Verbindung zwischen den Schubverwerfungen und Mondbeben untersuchen, die von den von den Apollo-Missionen zurückgelassenen seismischen Sensoren angemessen wurden.

"Eines der Dinge, die wir uns anschauen, ist genau diese Möglichkeit, ob da ein räumlicher Zusammenhang zwischen den bekannten Mondbeben und einer der gelappten Abhänge besteht", meinte Watters. "Ich denke, daß das durchaus möglich ist."

Watters zufolge hat die seismische Ausrüstung der Apollo-Missionen rund 30 Mondbeben in geringen Tiefen registriert, es gebe aber noch keine definitive Verbindung zwischen den Erschütterungen und den bekannten Verwerfungen.

Andere Forscher vergleichen die Bilder von den Apollo-Orbitern mit denen von LRO, um mögliche Veränderungen an den Abhängen in den letzten 40 Jahren zu finden, die eine andauernde Aktivität anzeigen würden.

LRO wird seine einjährige Primärmission im September abschließen. Anschließend wird die Leitung der Mission vom Explorationsdirektorat der NASA zur wissenschaftlichen Abteilung übertragen, die weitere zwei Jahre an Beobachtungen durchführen wird.

Die Raumsonde wird voraussichtlich aus ihrem jetzt kreisförmigen Orbit in rund 50 km Höhe über der Mondoberfläche in eine elliptische Umlaufbahn überführt, mit einem Periselenum (mondnächster Punkt der Umlaufbahn) in 30 km und einem Aposelenum in 200 km Höhe über der Mondoberfläche.

In dieser neuen Umlaufbahn kann der Orbiter mehr Treibstoff sparen, was eine weitere Verlängerung der Mission über 2012 hinaus ermöglichen könnte. Aber die höhere Umlaufbahn wird auch die Leistungsfähigkeit der LRO-Kamera beschränken. Ihre durchschnittliche Auflösung sollte dann von rund 50 cm auf rund einen Meter pro Pixel ansteigen.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 21. August MMX