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Artikel 6. August 2012
Sechs Räder im Sand - aber in Mars-Sand!
Mars-Erkundungsfahrzeug CURIOSITY landet erfolgreich auf dem roten Planeten - in einem wagemutigen, noch nie versuchten Verfahren buchstäblich vom Himmel abgeseilt

CURIOSITY gelandet
Oben: Eine künstlerische Darstellung von CURIOSITY kurz nach der Landung. (Abbildung: NASA)
Auf eine noch nie versuchte Art und Weise wurde heute ein 900 kg schweres, nuklear angetriebenes kleines Fahrzeug am Ende eines 7,5 Meter langen Seilzuges, der aus dem Bauch eines raketenangetriebenen fliegenden Kranes heraushing, auf die Oberfläche des Mars herabgelsassen, um den ersehnten Profit einer rund €2 Milliarden teure Mission endlich einzufahren.

Während die Flugleittechniker am Strahlantriebslabor (JPL) der NASA gespannt die Telemetriedaten beobachteten, die vom 248 Millionen Kilometer entfernten Mars 13,8 Minuten, nachdem sie erzeugt wurden, hereinkamen, empfingen sie vom Marswissenschaftslaborfahrzeug CURIOSITY die Bestätigung des Aufsetzens um 7:32 Uhr MESZ.

"Aufsetzen bestätigt. Wir sind sicher auf dem Mars [gelandet]!" verkündete der Kommentator der Missionsleitwarte Allen Chen, und das Missionsleitteam brach in Jubel und Applaus aus.

"Es ist einfach unglaublich, es hätte gar nicht besser laufen können", meinte NASA-Administrator Chrles Bolden. "Ich war da drin ein reines Nervenbündel, als ob ich auf glühenden Kohlen saß.

Dies ist ein großer Tag für die Nation, ein großer Tag für alle unsere Partner und ein großer Tag für das amerikanische Volk", fuhr er fort. "Morgen früh sollte jeder die Brust herusdrücken und sagen: 'Das da auf dem Mars ist mein Rover!' weil er uns allen gehört."

Das Zielgebiet für die Landung war der Krater Gale am Fuß eines fünf Kilometer hohen Hügels aus geschichtetem Gestein, der hunderttausende bis zig Millionen Jahre Marsgeschichte zur Schau stellt. Aufzeichnungen über die wechselvolle Umwelt und Evolution des Planeten.

Auch wenn die exakte Position des Fahrzeugs nach der Landung noch nicht sofort bekannt war, hatte es während des dramatischen Eintritts, Abstiegs und der Landung keine offensichtlichen Probleme gegeben und CURIOSITY ist vermutlich genau in dem vorherbestimmten 20 km langen und 5,5 km breiten Gebiet niedergegangen, eine Punktlandung verglichen mit vorangegangenen Missionen.

Erste Bilder vom Mars
Oben: Das linke Bild von der Heckkamera CURIOSITYs zeigt des Schatten des Fahrzeugs auf dem Marsboden. Die dunklen Flecken am Rand sind vermutlich von den Raketenabgasen hochgewirbelter Stauf, der sich auf die Linsenschutzkappe abgesetzt hat. Das rechte Bild zeigt ein Rad des Fahrzeugs. (Photos: NASA/JPL)
Der sieben Minuten dauernde Abstieg zur Oberfläche war ein einziges Drama, während die Flugleittechniker die Telemetriedaten von dem Raumfahrzeug überwachten, die vom alternden Mars Odyssey Orbiter aus der Umlaufbahn des Planeten weitergeleitet wurden. Jedes der erfolgreich gemeisterten Ereignisse wurde durch Klatschen gewürdigt.

"Wir haben den Boden mit dem Radar aufgefaßt", berichtete Chen. "Der Hitzeschild wurde abgetrennt, wir haben den Boden gefunden. Wir warten auf das Scharfmachen der Triebwerke, um den raketenbetrieben Flug zu beginnen. Sechs-Komma-Neun Kilometer und sinken weiter ..."

Wenige Minuten später fielen der Rover und seine Abstiegsstufe von dem Bremsfallschirm weg und acht Raketentriebwerke zündeten, um das Raumfahrzeug zu stabilisieren und den Fall auf die Landegeschwindigkeit zu verzögern.

"Wir sind im raketenbetriebenen Flug", berichtete Chen. "Wir sind in einer Höhe von einem Kilometer und fallen mit 70 Metern pro Sekunde ... 500 Meter Höhe ... warten auf den Himmelskran. Wir haben eine schöne flache Stelle gefunden, gleich kommt der Himmelskran. Jetzt runter auf 10 Meter pro Sekunde, 40 Meter hoch."

Ein paar Augenblicke später, direkt über der Oberfläche, ließ der von den Raketen in der Höhe gehaltene Himmelskran CURIOSITY am Ende einer 7,5 Meter langen Verspannung auf die Oberfläche hinab, was die Spannung in der eh schon gespannten Atmosphäre zusätzlich erhöhte.

Obwohl die Ingenieure noch nicht sofort Bilder erwarteten, kamen innerhalb von Minuten nach dem Aufsetzen kleine Daumennagelbilder von der Gefahrenerkennungskamera am Heck des Fahrzeugs herein, die ein Rad auf der Oberfläche des Mars zeigten.

"Odyssey-Daten kommen immer noch stark herein", berichtete Chen. "Odyssey ist gut und hoch am Himmel. Wir warten jetzt auf Bilder ..."

"Wir haben Daumennagelbilder", meldete jemand.

"Wir haben die Räder auf dem Mars!" berichtete Chen.

"Oh mein Gott!", meinte jemand im Hintergrund.

Der Rest ging im Jubel und Applaus unter.

CURIOSITY soll in den nächsten zwei Jahren den Berg Sharp erklimmen und nach Anzeichen für eine frühere und heute vorhandene Bewohnbarkeit Ausschau halten, sowie nach Kohlenstoffverbindungen suchen, den Bausteinen für Leben, wie es von der Erde bekannt ist.

Aber bevor die geologische Feldarbeit des Robotfahrzeugs beginnen kann, werden die Ingenieure einige Wochen lang die komplexen Systeme CURIOSITYs überprüfen und seine modernen Instrumente und Kameras austesten.

JPL Team
Oben: Das MSL-Flugleitteam am JPL jubelt, als die Landung bestätigt wird. (Photo: NASA/Bill Ingalls)
CURIOSITYs Landung stellt eines der wagemutigsten robotischen Verfahren dar, das jemals auf einer anderen Welt unternommen wurde. Es war eine genau choreographierte Reihe autonom ausgeführter Ereignisse mit nur wenig Spielraum für Fehler.

Die NASA-Verantwortlichen scheuten keine Mühen, um die Reporter auf die Möglichkeit eines Fehlschlages hinzuweisen.

"Ganz gleich was passiert, ich möchte, daß das Team weiß, wie stolz und privilegiert ich mich fühle, mit diesen Jungs und Mädels zusammengearbeitet zu haben", hatte Doug McCuistion, der Direktor für die Marserkundung am NASA-Hauptquartier zuvor am Sonntag erklärt. "Sie sind erstaunlich. Sie haben alles menschenmögliche getan, um dies zum Gelingen zu führen."

Adam Steltzner, der Leiter des EDL-Teams am Strahlantriebslabor (JPL) im kalifornischen Pasadena, hatte am Sonntag erklärt, er sei "verstandesmäßig zuversichtlich, gefühlsmäßig voller Angst".

"Diese Gruppe ... hat für den größten Teil eines Jahrzehnts wirklich hart gearbeitet, und die Früchte dieser Arbeit werden heute Abend auf die Probe gestellt", meinte er. "Das provoziert hier ein wenig Angst. Aber ich möchte sagen, daß ich letzte Nacht besser geschlafen haben, als in vielen Nächten in den letzten Jahren, weil sie [die Sonde] jetzt auf sich allein gestellt ist. Wenn ich auf die harte Arbeit zurückblicke, die wir geleistet haben, dann glaube ich, daß das Team alles getan hat, was wir tun können, um einen Erfolg zu verdienen."

Und das ist genau das, was sie bekommen haben. Obwohl die genauen Zahlen erst vorliegen, wenn die Telemetriedaten von der Landung ausgewertet worden sind, scheinen Eintritt, Abstieg und Landung genau nach Drehbuch verlaufen zu sein, das in der nachfolgenden Beschreibung wiedergegeben werden soll.

Das Raumfahrzeug des Mars-Wissenschaftslabors (MSL) besteht aus einer interplanetaren Flugstufe, die Strom und Kommunikation während der langen Reise von der Erde zum roten Planeten bereitstellte, und dem Fahrzeug CURIOSITY, der zwischen Hitzeschild und Schutzverkleidung wie in einem Kokon vor den extremen Temperaturen beim Eintritt in die Marsatmosphäre geschützt lag.

Nach einer Reise von 566 Millionen Kilometer nach dem Start vom Kap Canaveral in Florida letzten November, trennte sich die Flugstufe gegen 7 Uhr MESZ vom Lander. Wegen der riesigen Distanz von 248 Millionen Kilometern zwischen Erde und Mars brauchten die Signale, die dieses kritische Ereignis meldeten, 13,8 Minuten, um das Flugleitteam am JPL zu erreichen. Dies erfolgte um 7:10 Uhr MESZ "Signalankunftszeit".

Landung von MSL
Oben: Eine künstlerische Darstellung von dem Augenblick, als CURIOSITY an Seilen hängend von der Antriebsstufe auf der Marsoberfläche abgesetzt wird. (Abbildung: NASA/JPL-Caltech)
Eine Minute später feuerten die Düsen, um die Rotation von zwei Umdrehungen pro Minute zu stoppen. Das Raumfahrzeug richtete sich selbst mit dem Hitzeschild voraus aus und traf um 7:24 Uhr MESZ in 125 Kilometern Höhe bei einer Geschwindigkeit von 21.240 km/h auf die obersten Schichten der Atmosphäre. Zu diesem Zeitpunkt war es noch 627 Kilometer und sieben Minuten vom Aufsetzpunkt im Krater Gale entfernt.

Das Mars-Wissenschaftslabor ist das erste Raumfahrzeug, das diesen sogenannten "geführten Atmosphäreneintritt" auf einem anderen Planeten versucht hat.

Um seinen Auftrieb zu regeln, was es CURIOSITYs Hauptrechner ermöglichte, eine Punktlandung hinzulegen, wurden zwei 75 kg schwere Wolframgewichte kurz vor dem Eintritt ausgestoßen, um den Schwerpunkt des Raumfahrzeugs zu verlagern. Während des Hyperschallfluges wurde die Lage des Auftriebsvektors der Kapsel durch Steuertriebwerke geregelt, um Störungen durch die atmosphärischen Bedingungen auszugleichen, während es gleichzeitig so genau wie möglich seine Flugbahn zum Krater Gale regelte.

Rund eine Minute und 15 Sekunden nach dem Eintritt in die Atmosphäre sollte der Hitzeschild mit 2100 °C die höchste Temperaturbelastung erfahren haben, als die atmosphärische Reibung zu 90% zur Verzögerung des Raumfahrzeugs beitrug. Zehn Sekunden nach der höchsten Hitzebelastung sollte die Verzögerung das 10 bis 15-fache der Erdbeschleunigung in Meereshöhe erreicht haben.

Während die Sonde weiter auf den Mars zustürzte, fuhr der Flugrechner damit fort, das Raumfahrzeug mit kleinen Triebwerksstößen zu steuern, um kleine Änderungen im Flugpfad vorzunehmen, wenn dies aufgrund von Dichteänderungen in der Atmosphäre oder anderen Variablen erforderlich wurde.

Die geführte Eintrittsphase des Fluges war bis vier Minuten nach dem Eintritt vorprogrammiert. Sechs 25-kg-Gewichte mußten dann ausgestoßen werden, um den Schwerpunkt wieder in die Hauptachse des Raumfahrzeuges zu verlagern, um eine stabile Lage sicherzustellen, wenn der Hauptbremsschirm ausgeworfen würde.

Sekunden später, in einer Höhe von 11,3 km und bei einer Geschwindigkeit von 1450 km/h, enfaltete sich der große Schirm und dehnte sich zu einem Durchmesser von 21 Metern aus, was einen 30 Tonnen starken Ruck auf die immer noch überschallschnelle Kapsel ausübte.

Der Hitzeschild sollte rund 24 Sekunden später abgeworfen werden, in einer Höhe von rund acht Kilometern und einer Sinkgeschwindigkeit von 450 km/h, was die Sicht auf die Unterseite des Fahrzeugs freigab.

Ein hochentwickeltes Radar-Höhenmeßinstrument, begann dann Höhe und Geschwindigkeit kontinuierlich zu bestimmen und führte diese Daten dem Flugrechner des Rovers zu, während eine hochauflösende Kamera begann ein Video von den letzten paar Minuten des Abstiegs zu drehen.

Sechs Minuten nach dem Eintritt in die Atmosphäre, in gut anderthalb Kilometern Höhe, wurden der Rover und sein Raketenpaket von dem Fallschirm und der hinteren Abdeckung abgeschnitten und fielen wie ein Stein durch die dünne Marsatmosphäre.

Den Bruchteil einer Sekunde später zündeten acht hydrazinbetriebene Raketentriebwerke, zwei an jeder Ecke der Abstiegsstufe, um das Raumfahrzeug zu stabilisieren und die Vertikalgeschwindigkeit auf unter 3 km/h zu verringern.

MSL am Fallschirm
Oben: Diese Aufnahme von der NASA-Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter zeigt den MSL während er am Fallschirm dem Marsboden entgegenfällt. (Photo: NASA/JPL-Caltech/Univ. v. Arizona)
Rund 16 Sekunden vor dem Aufsetzen, in einer Höhe von unter 21 Metern, wurde CURIOSITY an einer Verspannung aus drei 7,5 Meter langen Nylonseilen herabgelassen. Während die Halteseile und Datenkabel abgewickelt wurden, wurden die sechs einzeln angetriebenen Räder ausgeklappt und rasteten in ihrer vorgesehenen Stellung für das Aufsetzen ein.

Schließlich, sieben Minuten nach dem Eintritt in die Marsatmosphäre und bei einer Sinkgeschwindigkeit von 2,7 km/h berührten CURIOSITYs Räder die Oberfläche des Mars. Die Funkbestätigung der Landung erreichte die Erde um 7:32 Uhr MESZ, oder gegen 15 Uhr Ortszeit auf dem Mars.

Als CURIOSITYs Flugrechner "Gewicht auf den Rädern" wahrnahm, gab er Kommandos, kleine Explosivladungen zu zünden, die die Seile, die den Rover mit dem immer noch feuernden Antriebssystem verband, durchtrennten. Nach getaner Arbeit flog die Antriebsstufe zur Seite weg, um in sicherer Entfernung auf der Marsoberfläche aufzuschlagen.

"Es gibt drei unterschiedliche Signale, die uns ein Aufsetzen bestätigen und wir brauchen alle drei positiv, bevor wir sagen können [daß wir unten sind]", erläuterte Steltzner am Sonntag. "Das eine ist die Nachricht von der Sonde, die sagt 'ich habe aufgesetzt, und das ist die Geschwindigkeit, mit der ich aufgesetzt habe, und wo ich glaube, wo ich bin'."

"Der Rover hat ein Trägheitsmeßinstrument, einen Kreisel und einen Satz Beschleunigungsmesser, und wir sehen uns [die Daten] alle[r] an, um sagen zu können, daß sich der Rover nicht mehr bewegt, dieses Signal sagt uns 'ich denke ich bin auf dem Boden und bewege mich nicht mehr'. Und das dritte ist, daß wir eine sichere Zeitspanne abwarten und bestätigen, daß wir weiterhin ein kontinuierliches UHF-[Funk-]Signal erhalten. Und frei heraus gesagt, das ist nur dazu da, um sicherzugehen, daß die Abstiegsstufe nicht voll auf den Rover heruntergefallen ist. Wenn alle diese drei Signale positiv sind, dann erklären wir die Bestätigung für das Aufsetzen."

Und das war genau das, was Chen um 7:32 Uhr meldete.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 6. August MMXII