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Artikel 8. November 2002
Dunkle Ringe
Beim letzten Vorbeiflug am Jupiter hat GALILEO dessen Ringe durchquert - bei dem nach 28 Jahren ersten Durchflug war man diesmal vorbereitet

1974 tauchte die NASA-Raumsonde PIONEER 11 durch die Ringe des Jupiters.

Und keiner bemerkte es.

Jupiter's dunkle Ringe - so weit ausgedehnt, wie die des Saturn, aber dennoch nahezu unsichtbar - waren zu dieser Zeit noch nicht bekannt gewesen. Erst fünf Jahre später wurden sie zum ersten Mal auf Aufnahmen von Kameras an Bord von VOYAGER 1 entdeckt. Am 5. Mai 1979 schwang die Sonde hinter den Riesenplaneten und von innerhalb des Planetenschattens waren die dünnen, von der Sonne beschienenen Ringe sichtbar - aber nur sehr schwach.

Jupiters Ringe
Oben: GALILEO, Amalthea und die Jupiterringe sind auf diesem Gemälde zu sehen. (Abbildung: NASA/JPL)
Seither haben sich die Wissenschaftler nach einem weiteren Vorbeiflug, wie dem von PIONEER 11 gesehnt. VOYAGER, CASSINI und GALILEO haben die Ringe bereits viele Male photographiert, aber nur aus weiter Entfernung. Keine Sonde ist in den letzten 28 Jahren in die Ringe eingeflogen.

Am 5. November 2002 hat nun GALILEO diesen Flug durch die Jupiterringe gewagt. Und dieses Mal waren die Wissenschaftler vorbereitet.

"Wir haben diesem Vorbeiflug entgegengefiebert," meint Joe Burns, ein Planetologe an der Cornell Universität und MItglied des GALILEO Kamerateams. "Es war die Gelegenheit, die Teilchen zu studieren, aus denen sich die Ringe zusammensetzen, und mehr über ihre Umgebung zu erfahren."

GALILEO nähert sich dem Ende seiner insgesamt zweimal verlängerten Siebenjahresmission am Jupiter. Riskante Manöver, wie Durchflüge durch Ios Vulkanaschewolken und durch die Jupiterringe hatte man sich für bis zuletzt aufbewahrt. Der Vorbeiflug am Jupiter in dieser Woche und der Durchflug durch die Ringe ist eine der letzten Dinge, die auf dem Programm für GALILEO stehen, bevor die Sonde sich im nächsten Jahr in die Atmosphäre des Jupiters selbst wirft.

Anders als die Ringe des Saturn, die aus hellen Eisbrocken so groß wie Häuser bestehen, bestehen Jupiters Ringe aus Partikeln, die so fein sind, wie Zigarettenrauch. Die Staubkörner sind dunkel (sie reflektieren gerade mal 5% des Sonnenlichts, das sie trifft) und sind so rar gestreut, daß die Ringe nahezu transparent sind. Das ist es, was das Studium der Ringe so extrem schwer macht.

Die Ringe des Jupiters
Oben: Eine schematische Darstellung der Jupiterringe: Außen die beiden breiten Spinnfadenringe, dann der Hauptring und innen der Haloring. Haupt- und Spinnfadenringe werden durch die Bahnen der inneren Jupitermonde begrenzt. (Abbildung: NASA/JPL)
Der Ursprung der Jupiterringe konnte vor über fünf Jahren durch die Kameras GALILEOs aufgedeckt werden. "Der Staub kommt von den kleinen Gesteinsmonden, die den Jupiter umkreisen," erklärt Burns. Diese Monde werden ständig von Meteroiten bombardiert, die sich in sie hineingraben und dann explodieren. Die Jupiterringe bestehen aus dem Trümmerstaub dieser Einschläge.

Tatsächlich besitzt der Jupiter mehrere Ringe: Der Hauptring ist der hellste. Er liegt nahe am Jupiter und besteht aus dem Staub seiner Satelliten Adrastea und Metis. Zwei breite Spinnfadenringe umfassen den Hauptring. Diese werden von den Satelliten Thebe und Amalthea gespeist. Es gibt außerdem einen sehr dünnen Ring weit draußen in umgekehrter Richtung umkreist. Genau weiß es keiner, aber es könnte sein, daß dieser Ring sich aus eingefangenem interplanetarem Staub zusammensetzt.

Als GALILEO sich am letzten Dienstag Jupiter annäherte, ist die Sonde durch einen der Spinnfadenringe geflogen. Der Raumsonde Annäherung an den Mond Amalthea am selben Tag war von den Wissenschaftlern schon lange erwartet worden, die damit die Masse des kleinen Mondes anhand seines Schwereeinflußes auf die Raumsonde bestimmen können.

Der Jupitermond Amalthea
Oben: Der Jupitermond Amalthea, wie er von der Raumsonde GALILEO photographiert wurde. Er ist in etwa so groß wie die amerikanische Insel Long Island bei New York. (Abbildung: NASA/JPL)
Die Saturnringe haben sich möglicherweise nach dem Auseinanderbrechen eines Eismondes, der in etwa die Größe Amaltheas gehabt haben muß, gebildet. Im Gegensatz dazu bestehen die Jupiterringe nur aus Staub von den Oberflächen solcher Monde. "Die Saturnringe sind millionenmal massereicher als die des Jupiters," sagt Burns.

Nun sind seit Milliarden von Jahren Meteoriten auf die Jupitermonde niedergefallen und haben Staub aufgeworfen. Da stellt sich die Frage, warum nicht mehr Material in den Ringen vorhanden ist. Warum sind die Jupiterringe um so vieles weniger massereich als die Saturnringe?

Burns erklärt: "Die Staubkörner, die in die Jupiterringe geschleudert werden, bleiben dort nicht für immer. Die Umlaufbahnen der Körner nähern sich allmählich immer mehr dem Jupiter und schließlich verschwinden die Körner in der Atmosphäre des Planeten."

Sie verlieren ihre Bahnenergie aus verschiedenen Gründen: Einer ist das Sonnenlicht. Die Staubkörner absorbieren das Sonnenlicht und strahlen es wieder ab; dabei verlieren sie an Bahndrehimpuls. Wissenschaftler nennen dies Poynting-Robertson Widerstand:

Plasmakollisionen sind ein anderer Grund. Jupiter's Magnetosphäre (die magnetische Blase, die den Planeten umgibt) ist mit elektrischen Wolken, Plasmen genannt, gefüllt. Die Staubkörner in den Ringen sind ebenfalls elektrisch geladen, etwa so wie der Staub, der sich auf der Mattscheibe Ihres Computermonitors sammelt. Wenn diese geladenen Körner nun mit einer Plasmawolke kollidieren, können sie an Bahndrehimpuls verlieren.

Das Leben eines Staubkorns im Jupiterring
Oben: Das Leben eines Staubkorns im Jupiterringsystem beginntals Trümmerstück eines Gesteinssatelliten und endet mit dem Herabsturz in die Atmosphäre des Riesenplaneten. (Abbildung: NASA/JPL)
Das Alter der Jupiterringe hängt davon ab, welcher dieser Mechanismen überwiegt. Plasmakollisionen können ein Partikel in nur wenigen Jahren zum Absturz bringen. Der Poynting-Robertson Widerstand, den Burns favorisiert, braucht länger, etwa 100.000 Jahre. (Das Alter der Saturnringe ist entsprechend kontrovers diskutiert worden.)

Die Jupiterringe werden ständig durch die Meteoriteneinschläge wieder aufgefüllt, deshalb werden sie nicht so schnell verschwinden. Aber die Ringe mögen im nächsten Jahr schon aus anderem Material bestehen, als in diesem Jahr. Dahingehend ist es möglich, daß die Ringe sogar jünger als Sie sein können.

Als GALILEO in dieser Woche durch die Ringe flog, haben die elektromagnetischen Meßgeräte der Sonde und der Staubdetektor einwandfrei funktioniert. (Die Raumsonde selbst hat sich aufgrund des Bombardements an Strahlung vom Jupiter am Ende des Vorbeifluges in den sicheren Modus versetzt, aber glücklicherweise erst, nachdem die wichtigsten Daten alle eingefahren worden waren.) Burns hofft nun, daß diese bisher noch niemals vorgenommenen Messungen das Rätsel der Ringe endlich lösen werden.

Oder sie bringen neue Überraschungen. Nach alledem sind die dunklen Ringe des Jupiter immer noch unentdecktes Land.

Quelle: NASA Science Artikel


letzte Änderung am 17. November MMII