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Artikel 4. September 2018
Loch in der Sojus durch menschliches Versagen verursacht
Techniker bei RSC Energija hat vermutlich an falscher Stelle gebohrt - Besatzung war nie in Gefahr

Oben: Die NASA hatte dieses Photo von dem Loch im Orbitalmodul der Sojus veröffentlicht, es dann aber aus einem YouTube-Video wieder herausgelöscht. (Photo: NASA über Russia Today)
Das Loch in der Sojus MS-09, das die Besatzung der ISS in der letzten Woche entdeckt und abgedichtet hatte, war nicht das Resultat eines Einschlags eines kleinen Mikrometeoriten oder eines Stücks Weltraummüll, sondern war von einem Techniker vor dem Start in die Wand gebohrt worden. Dies bestätigten nach Angaben von NASA und Roskosmos russische Ingenieure.

Nach russischen Medienberichten habe der neue Generalsekretär der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, gegenüber Reportern verlautet, daß das Loch "von einer menschlichen Hand" in die Wand des Orbitalmoduls der Sojus gebohrt worden sei. Er schließe keine Theorie aus, meinte aber, es könne sehr wohl schon am Boden vor dem Start am 6. Juni oder nach Erreichen der Umlaufbahn aufgrund eines menschlichen Fehlers geschehen sein.

Der für seine kontroversen Kommentare unter anderem bei Twitter bekannte Rogosin ließ offen, warum ein Astronaut oder Kosmonaut so etwas tun sollte, berücksichtigt man die offensichtliche Gefährdung, die davon für die Raumstation und seine sechsköpfige Besatzung ausgeht.

"Wir berücksichtigen alle Theorien", wird der 2014 von der Regierung Obama als Reaktion auf die russische Annektion der Krim mit Sanktionen belegte Rogosin in einem am Montag von der russischen Nachrichtenagentur TASS veröffentlichten Bericht zitiert. "Die über einen Meteoriteneinschlag können wir allerdings ausschließen, da die Hülle des Raumfahrzeugs offensichtlich von Innen durchschlagen wurde."

Obwohl er ausführte, daß es noch zu früh für endgültige Schlußfolgerungen sei, meinte er, daß es wohl von einer unsicheren Hand ausgeführt worden sei.

Krikaljow Rogosin
Oben: Verantwortliche von Roskosmos diskutieren über das Loch in der Sojus. Links der Chef der bemannten Raumfahrt bei Roskosmos Sergeij Krikaljow, in der Mitte der neue Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin. (Photo: Roskosmos)
"Da war eine menschliche Hand am Werk. Man sieht Spuren von einem Bohrer, der über die Oberfläche geglitten ist", erklärte er.

Er meinte weiter, es sei "eine Ehrensache für die Energia Raketen- und Raumfahrtgesellschaft (der Hersteller der Sojus-Raumfahrzeuge), den Verantwortlichen dafür zu finden, und herauszufinden ob es ein Versehen oder eine vorsätzliche Tat war, und wo das passiert ist, also ob auf der Erde oder im All."

Sputnik International berichtet, daß RSC Energia bereits umfangreiche Inspektionen aller Sojus- und Progress-Raumfahrzeuge durchführt, die derzeit für einen Start abgefertigt werden, um zu schauen, ob sie ähnliche Probleme aufweisen.

Da das Problem ein russisches Raumfahrzeug betrifft, hat die NASA dazu keinen unmittelbaren Kommentar abgegeben. Ein Verantwortlicher am NASA-Hauptquartier in Washington verwies bei Anfragen auf Roskosmos.

Das Leck war am Mittwoch, 29. August entdeckt worden, als Sensoren an Bord der ISS einen geringfügigen Druckabfall in der Kabinenatmosphäre anmaßen.

Es wurde nicht als so schwerwiegend erachtet, um die Besatzung zu wecken, aber am nächsten Morgen wurde die Expedition 56 Besatzung auf die Suche geschickt und sie konnten das Leck im Orbitalmodul der Sojus MS-09 lokalisieren, die am Miniforschungsmodul Rasswet angekoppelt ist.

Das Raumfahrzeug war am 6. Juni in's All gestartet und hatte den russischen Kosmonauten Sergeij Prokopjew, den deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst und die amerikanische NASA-Astronautin Serena Auñón-Chancellor zur Raumstation gebracht.

Sojus MS-09
Oben: Die Sojus MS-09, angekoppelt am Miniforschungsmodul Rasswet an der Unterseite der ISS. (Photo: NASA)
Photos von dem Loch im Habitatmodul der Sojus, die von der Stationsbesatzung zur Erde übertragen wurden, zeigten ein offenbar ausgebohrtes Loch in einem Innenblech mit Abschabungen daneben, wie sie von einem Bohrer verursacht werden, der beim Ansetzen über die Oberfläche abgerutscht ist.

Prokopjew und sein Kosmonautenkollege Oleg Artemjew dichteten auf Anweisung des russischen Missionsleitzentrums das Loch ab, indem sie in Epoxydharz getränktes Gewebe darüberklebten. Die Dichtung hielt und die Flugleittechniker hoben später den Kabinendruck wieder auf das normale Niveau an.

Die Besatzung sei nie in Gefahrgewesen, wie die Verantwortlichen betonten, und eine sichere Rückkehr der Sojus MS-09 zur Erde habe nie in Frage gestanden. Das obere Modul kann luftdicht abgeschottet werden und überhaupt wird das Modul vor dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre abgetrennt.

Erste russische Medienberichte spekulierten über einen Techniker der das Loch versehentlich während der Abfertigung vor dem Flug gebohrt und anschließend seinen Fehler zu kaschieren versucht habe.

RIA Nowosti zitierte eine Quelle innerhalb RSC Energia, die gesagt haben soll: "Das Loch wurde am Boden gebohrt. Die Person, die für diese Nachlässigkeit verantwortlich ist, wurde identifiziert."

Eine andere Quelle habe der Nachrichtenagentur berichtet, daß der Arbeiter den Fehler nicht gemeldet und stattdessen eine Dichtmasse über das Loch geschmiert habe. Nach zwei Monaten im All sei diese Dichtmasse bröckelig geworden und vom Kabineninnendruck aus dem Loch gepresst worden, wodurch die Kabine undicht wurde.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 6. September 2018