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Artikel Sonntag, 4. Mai 2003
Expedition 6 sicher gelandet
Sojus ging weit abseits des geplanten Landegebietes nieder - Flugzeug entdeckt Besatzung wohlauf nach zweistündiger Suche

Die Landestelle von Sojus TMA-1
Oben: Die Landestelle von Sojus TMA-1 (rotes Kreuz) lag nördlich des Aralsees in der kasachischen Steppe, etwa 440 km weiter westlich als das 30 x 40 km große, angepeilte Landegebiet. (Abbildung: NASA)
Zwei amerikanische und ein russischer Raumfahrer sind heute früh an Bord einer beengten russischen Raumkapsel von der internationalen Raumstation zur Erde zurückgekehrt. Die Sojus, seit dem COLUMBIA-Unglück das einzige Personentransportmittel zur und von der ISS, landete allerdings zu kurz und konnte erst nach einer zweieinhalbstündigen Suche nördlich des Aralsees entdeckt werden.

Die Landestelle befand sich etwa 440 km weiter westlich, als vorgesehen in der entlegenen Steppe Kasachstans, einer ehemaligen Sowjetrepublik in Zentralasien. Die Raumfahrer waren Berichten zufolge in guter Verfassung. Sie hätten bereits die Kapsel verlassen und den Suchflugzeugen zugewunken.

Die Kapsel vom aufgewerteten Typ Sojus TMA ist vermutlich in einem steileren Winkel als erwartet in die Erdatmosphäre eingetreten. Dies hätte, russischen Raumfahrtingenieuren zufolge, die G-Kräfte, mit denen die Raumfahrer in ihre maßgeschneiderten Sitze gepresst werden, von dem siebenfachen auf des neunfache der Erdbeschleunigung erhöht. Das sei aber noch im Rahmen dessen, was die dreiköpfige Besatzung an Belastung ertragen könne. Ebenso hätte dieser Wiedereintritt das Kommunikationssystem beeinträchtigt, was die Suche und die Bergung behindert hätten.

Expedition 6 Besatzung
Oben: Die Expedition 6 Besatzung in den maßgeschneiderten Sokol-Fluganzügen, in denen sie den Wiedereintritt und die Landung mit der Sojus TMA-1 durchgeführt haben. Von links: Donald Pettit, Nikolai Budarin und Ken Bowersox. (Photo: NASA)
Ursprünglich hätten Expedition 6 Kommandant Kenneth Bowersox, Flugingenieur Nikolai Budarin und ISS-Wissenschaftsoffizier Donald Pettit mit der Raumfähre ATLANTIS, deren Start für März vorgesehen war zurückkommen sollen. Aber das COLUMBIA-Unglück vom 1. Februar hat die gesamte Shuttleflotte zur Sicherheit auf den Boden verbannt und die Raumfahrer mußten zwei weitere Monate im All verbringen.

Anstatt nun mit dem relativ viel Platz bietenden Orbiter sanft zur Erde zurückzugleiten, mußten die Raumfahrer sich nun mit der nur etwa zwei Meter durchmessenden Sojus TMA-1 Kapsel begnügen, in der sie nur ein Minimum an Ausrüstung und persönlichen Gegenständen mitnehmen konnten. Alle anderen Habseligkeiten von 162 Tagen Aufenthalt im All mußten verpackt auf der Raumstation zurückgelassen werden und werden voraussichtlich mit der nächsten Raumfähre zur Erde zurückgebracht werden - wann immer dies auch sein mag. Darunter ist auch Don Pettit's Didjeridu, ein ausgehöhlter Baumstamm, der von den australischen Ureinwohner als eine Art Horn verwendet wird, und auf dem Pettit während der Gespräche über Bilddtelefon mit seiner Familie für seine zweieinhalbjährigen Zwillinge gespielt hatte.

Damit waren sie nun die ersten NASA Astronauten, die mit einem ausländischen Raumfahrzeug im Ausland gelandet sind.

Das Missionsleitzentrum verkündete die Landung um 4:19 Uhr MESZ, etwa dreieinhalb Stunden nach dem Ablegen von der Raumstation, das pünktlich um 0:40 Uhr erfolgt war.

Die ISS von Sojus TMA-1
Oben: Die ISS, wie sie sich nach dem Ablegen von Bord der Sojus TMA-1 aus zeigte. Deutlich zu erkennen sind die beiden langen Radiatorflächen, die von der jüngst angebrachten Tragwerkstruktur ausgefahren wurden. (Photo: NASA/JSC)
Für die NASA war diese Landung eine Zitterpartie. Es war die erste Rückkehr von Astronauten aus dem All, seit die COLUMBIA während des Wiedereintritts auseinandergebrochen war und ihre sieben Besatzungsmitglieder in den Tod gerissen hatte. Es war das erste Mal seit 1975, das US-Astronauten in einer Raumkapsel zur Erde zurückkehrten. Noch dazu hat dieses neue Sojus-Modell noch nie zuvor einen Wiedereintritt durchgeführt. Der Ort war neu und die Landung fand auf festem Untergrund statt, nicht im Wasser, wie es vom US-Raumfahrtprogramm in den Tagen vor Einführung der Raumfähren praktiziert wurde.

Wegen der COLUMBIA seien die Augen der amerikanischen Öffentlichkeit und des Kongresses auf diese Landung gerichtet, meinte Dr. J. D. Polk, einer der zwei NASA-Flugärzte, die von der US-Raumfahrtbehörde mit zwei Hubschraubern voll medizinischer Ausrüstung zur Landung nach Kasachstan geschickt worden waren - nur für den Fall ...

"Zur Zeit werden Risiken nicht akzeptiert," meint Polk.

In der letzten Woche hatten die Raumfahrer Jurij Malentschenko und Edward Lu für einen sechsmonatigen Aufenthalt auf der ISS eingechecked. Dieser verspricht eine echte Herausforderung zu werden, bedenkt man die Reduzierung der Besatzungsstärke von drei auf zwei Personen, um Vorräte zu sparen, bis die Shuttle-Flüge wieder aufgenommen werden können.

Die Übergabe des Kommandos an Malentschenko, bevor er in die Sojus hineinschwebte, begleitete Bowersox mit den Worten: "Ihr zwei seid heute die glücklichsten Leute, die vom Planeten Erde gekommen sind. Für die nächsten sechs Monate dürft ihr auf diesem wunderschönen Schiff wohnen. Jurij, ich bin bereit für die Ablösung."

Vom Boden wünschte der Administrator der NASA, Sean O'Keefe, beiden Besatzungen viel Glück und meinte zu den Heimkehrern: "Fügt doch eurer bestellung bei, wie ihr eure Steaks haben wollt, damit wir sie richtig fertig haben, wenn ihr hier ankommt."

Sojus TMA-1 an PIRS
Oben: Die Sojus TMA-1, mit der die Expedition 6 Besatzung zur Erde zurückgekehrt ist, hier noch am russischen Andockmodul PIRS angekoppelt. (Photo: NASA/JSC)
Russische Kosmonauten kehren regelmäßig in Kapseln zurück, zuletzt am 10. November, als zwei Russen und ein Belgier mit einer Sojus gelandet waren.

Budarin hatte noch am Samstag im russischen Staatsfernsehen, während einer Liveübertragung von der Raumstation, die Risiken einer Rückkehr mit der neuen Sojus, mit der noch nie zuvor gelandet wurde, heruntergespielt. Er meinte, es handele sich bei den Unterschieden nur um Modifikationen des alten Modells.

"Ich bin bereits zweimal mit einer Sojus zur Erde zurückgekehrt, und es hat niemals Probleme gegeben, und ich denke es wird auch diesmal keine geben," hatte er erklärt, während er langsam in der Schwerelosigkeit auf und ab wippte.

Bowersox, der fließend russisch spricht, meinte, daß die Mission an Bord der Station gut verlaufen sei. "Wir konnten alles durchführen, was wir sollten, aber am wichtigsten ist, daß wir als eine internationale Besatzung gut zusammengearbeitet haben."

Trotzdem hatte die NASA für die Landung die Zügel angezogen, indem sie Polk und seine Kollegen von der NASA mit Defibrillator, EKG, Trauma- und Wiederbelebungsausrüstung aussandte. Ebenso wurden Mediziner der US-Luftwaffe mitgeschickt, zusammen mit einem Minioperationsraum und einige größere Krankenhäuser in Europa wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

"Selbst dieser ganze medizinische Aufwand ist klein im Vergleich zu dem, was wir für gewöhnlich bei einer Shuttle Landung in Cape Canaveral zur Verfügung haben," erklärte Polk. "Es ist wahrscheinlich völlig überzogen, aber man will in der Weltraumfahrt eben niemals 'wenn wir doch bloß...' sagen müssen."

Die Russen, die typischerweise nur eine Handvoll Ärzte bei einer Sojus-Landung vor Ort haben, hätten dafür Verständnis gehabt, meinte er. "Wahrscheinlich wird der medizinische Aufwand wieder weniger werden, sobald wir uns mit dieser Beförderungsmethode angefreundet haben."

Für das Wiedersehen sind die Ehefrauen von Bowersox und Pettit, zusammen mit den Zwillingen, und Budarins Familie in's Sternenstädchen, dem russischen Kosmonautenausbildungszentrum bei Moskau gereist.

Jim Newman, ein für das bemannte Raumfahrtprogramm der NASA verantwortlicher Astronaut in Rußland, erwartet, daß Bowersox und Pettit eine schwierige Zeit bevorsteht, um sich in die Raumfahrtrealität nach COLUMBIA einzufinden, wie es für jeden zur Zeit ist.

"Wegen dieser Tragödie ist es nicht mehr das Raumfahrtprogramm, das wir uns erhofft hatten," erklärte Newman, "aber wir sind natürlich bereit für das, was auf uns zukommen wird."

Quelle: Space.com


letzte Änderung am 4. Mai MMIII