Zurück zur Startseite
Bericht 11. August 2002
NASA wägt Möglichkeiten für Rettungsfahrzeug ab
CRV oder 2 Sojus? - Und was ist besser geeignet, um einen schwerkranken Raumfahrer zur Erde zurückzubringen?

Die X-38
Oben: X-38 - Prototyp für ein Mannschaftsrückkehrfahrzeug
Die Raumfahrer an Bord der internationalen Raumstation sind zwar gut ausgebildet, um möglichen Notfällen zu begegnen, im Zweifelsfall muß ihnen aber auch eine Fluchtmöglichkeit zur Verfügung stehen.

Welche Fluchtmöglichkeit das sein soll, darüber berät die NASA, während sie Konzepte für wiederverwendbare Raumfahrzeuge der zweiten Generation als Nachfolger der betagten Shuttleflotte abwägt. Mit dem Prototyp des Mannschaftsrettungsfahrzeuges X-38 auf Eis gelegt, ist in naher Zukunft die billigste Option das, was sowieso schon an der Raumstation angedockt ist: Die Sojuskapsel.

Das russische Raumfahrzeug kann alle drei Raumfahrer zur Erde zurückbringen, wenn die Raumstation ausfällt, oder wenn ein Mitglied der Besatzung medizinischer Notfallmaßnahmen bedarf, die an Bord nicht mehr durchgeführt werden können. Wenn die besatzungsstärke auf sechs erhöht werden sollte ist das Andocken einer zweiten Sojuskapsel die billigste und schnellste Alternative, um die Rückkehr aller sechs Besatzungsmitglieder zu ermöglichen, wie der Beratungsausschuß der NASA für Sicherheit in der Luft- und Raumfahrt verlauten ließ. Hier werden eine Reihe von Studien durchgeführt, bei der verschiedene Optionen untersucht werden, eine davon die Nutzung zweier Sojus-Rückkehrfahrzeuge.

Dr. Jeff Jones, der Flugarzt der Expedition 5 Besatzung der ISS, meint, daß sie lieber ein Mannschaftsrückkehrfahrzeug (CRV) zur Rückführung der Besatzung hätten, aber dieses Projekt wurde aus Finanzierungsgründen gestoppt.

Ohne ein neues Fahrzeug, kann die Besatzungsstärke nicht über die Anzahl von sechs erhöht werden. Aber die Entwicklung eines neues Fahrzeuges könnte 10 Jahre dauern und zwischen 8 und 10 Millionen Dollar kosten, wie der Ausschuß berichtete.

Die Mannschaftsrückführung ist die allerletzte Option, die ausschließlich für kritisches Versagen lebenswichtiger Systeme an Bord der ISS und einem schweren medizinischen Notfall vorgesehen. Letzterer scheint der wahrscheinlichere Fall zu sein, wie der Sicherheitsausschuß meint. Deshalb ist die Alternative eines sicheren Aufenthaltraumes, in den sich die besatzung im Falle eines Feuers oder eine Krise zurückziehen kann, völlig ungeeignet, sollte ein Astronaut chirurgische Behandlung benötigen.

Aus diesem Grund wird die Besatzung zur Behandlung einer Vielzahl medizinischer Probleme ausgebildet. Sie besitzen einen kompletten Satz medizinischer Diagnosegerätschaft, wie bei einer kleinen Artzttasche, in einer Kiste.

Sie haben eine große Auswahl an Medikamenten, ebenso wie ein Beatmungsgerät, Ausrüstung um einen Trachialtubus zu legen, Venenkatheter, normale Erste-Hilfe-Ausrüstung, wie ein Thermometer und selbst ein Ultraschallgerät zur untersuchung innerer Organe. Stationsbewohnerin Peggy Whitson wird das Ultraschallgerät noch im Laufe der Mission ausprobieren.

Obwohl die NASA bereits einige Trainingseinheiten in Mikroschwerkraftchirurgie in hochfliegenden Flugzeugen durchgeführt hat, gibt es noch keine Pläne für die Durchführung von Operationen an Bord der Station. "Das wäre eine Situation, in der wir die Besatzung zur Erde zurückholen würden," erklärt Jones.

Die Behandlung eines ernsten Zustandes im All, wäre wie die Behandlung von Krebs oder einer anderen schweren Erkrankung in der unwirtlichen Antarktis. Daher gab es bereits mehrere Rettungseinsätze zum Südpol, um kranke Wissenschaftler zurückzuholen.

Mit nur einer Sojus an der Station würden alle drei Besatzungsmitglieder die ISS verlassen, wenn einer von Bord gebracht werden müßte, da niemand ohne eine Möglichkeit zur Flucht an Bord zurückgelassen werden darf, wie NASA-Sprecher John Ira Petty erklärte.

Aber eine Sojus könnte nicht gerade das beste Transportmittel sein, um eine verletzte Person nach Hause zu bringen, meint Jones. "Die Sojus ist nicht wirklich für eine medizinische Evakuierung ausgestattet."

Landetest der X-38
Oben: Die X-38 schwebt bei einem Landetest an einem riesigen Gleitschirm hängend zu Boden. Der Schirm hat eine Fläche, die das anderthalbfache der Flügelfläche eines Jumbo Jets beträgt. (Photo: Space.com)
Zwei Rückkehrfahrzeuge wären überhaupt nur einem vorzuziehen, für den Fall, daß eines beschädigt oder unerreichbar wäre. Die Gefahrenstelle könnte nämlich genau zwischen den Raumfahrern und der rettenden Kapsel liegen.

Man könnte daher entweder zwei Sojus oder eine Kombination aus einer Sojus und einem CRV an der Station angedockt haben. In einigen Szenarien, die von der Raumfluginitiative am Marshall Raumflugzentrum (MSFC), wo drei Vertragspartner um den Bau des neuen Raumtransporters der nächsten Generation wetteifern, untersucht werden, könnte das neue Raumfahrzeug ebenso als Rückkehrfahrzeug dienen.

"Wenn man einen Mannschaftstransporter baut, dann ist Mannschaftsrettung kein besonderer Mehraufwand," meint Dennis Smith, Leiter des Büros für wiederverwendbare Startfahrzeuge der zweiten Generation am MSFC.

Eine wichtige Frage ist dabei, wieviel Zeit ein Raumfahrzeug im All verbringen soll. Wenn es für ein halbes oder gar ein ganzes Jahr an der raumstation angedockt bleiben soll, ändert sich sein Strombedarf ebenso wie die Anforderungen für die Resistenz gegen Kollisionen von Mikrometeoriten und Weltraummüll.

Eine andere Möglichkeit ist, eine Hülle zu konstruieren, die sowohl für den neuen Raumtransporter, als auch für das Mannschaftsrückkehrfahrzeug eingesetzt werden kann. Also ein Fahrzeug, daß beide Aufgaben erfüllen kann. Von außen sähen sie gleich aus, aber das Innenleben wäre verschieden. Ein Vorteil davon wäre, daß die Eigenschaften beim Wiedereintritt die gleichen wären und somit nur einmal getestet werden müßten.

Wieder ein anderes Konzept würde eine wesentlich primitivere Fluchtkapsel, ein direkter Nachfolger der Raumfahrzeuge der Apolloära, im Innern der neuen Raumfähre. Eine derartige Kapsel könnte aber auch per Rakete zur Station gestartet werden.

Wenn mit dem Bau heute begonnen würde, könnte das Raumfahrzeug zwischen 2009 und 2012 fertig sein, meint Smith, aber mit dem Finanzumfang der Apollo-Mondflüge wäre es möglich noch viel früher fertig zu sein.

"Wir haben es in neun Jahren zum Mond geschafft und dabei hatten wir am Anfang nicht die geringste Ahnung, wie wir dahin kommen sollen."

Mehrere Konzepte für Raumtransporter der nächsten Generation und eine Analyse derer Vor- und Nachteile sind bei der NASA eingereicht worden, bei der für den Budgetsvorschlag für 2004 ausgesiebt wird.

Die NASA versucht Probleme vorherzusehen und redundante Systeme auf der Station und im Shuttle einzubauen, so daß ein Totalausfall von Stromversorgung, Kommunikation oder Sauerstoffversorgung, die ein Verlassen der Station notwendig werden ließe, unwahrscheinlich würde. "Wir arbeiten wirklich hart, um uns für alle Eventualitäten vorzubereiten, und wir machen das, weil die Sicherheit bei uns einen besonders hohen Stellenwert hat," erklärt Petty.

Quelle: Space.com


letzte Änderung am 13. August MMII