Zurück zur Startseite Erde
Zurück zur Startseite Zurück zur Erde-Indexseite
Artikel 17. Dezember 2009
Obere Erdatmosphäre kühlt dramatisch ab
Folge von Aktivitätsminimum im elfjährigen Zyklus der Sonne - Dichteänderung hat Einfluß auf Satelliten in der niedrigen Erdumlaufbahn

Thermosphäre der Erde
Oben: Die Thermosphäre der Erde beginnt in rund 100 km Höhe und hat einen wesentlichen Einfluß auf die Umlaufbahnen von Satelliten in der niedrigen Erdumlaufbahn. (Abbildung: UCAR)
Wenn die Sonne vergleichweise inaktiv ist, wie sie es in den vergangenen paar Jahren war, kühlt sich die äußerste Schicht der Atmosphäre dramatisch ab, wie neueste Beobachtungen zeigen.

Diese Ergebnisse könnten Wissenschaftlern dabei helfen, das Ausdehnen und Schrumpfen der Atmosphäre unseres Planeten besser zu verstehen, ein Phänomen, das die Umlaufbahnen von Satelliten und Weltraumschrott beeinflußt.

Die Daten von der NASA-Mission TIMED zeigen, daß die Thermosphäre der Erde (die Schicht in 100 km Höhe über der Oberfläche der Erde) "recht dramatisch auf die Auswirkungen des elfjährigen Sonnenzyklusses reagiert", erklärte Stan Solomon in dieser Woche auf dem jährlichen Treffen der Amerikanischen Geophysikalischen Vereinigung.

Zu wissen, wie die Energie, die auf natürlichem Wege von der Sonne wegfließt, den Zustand der Thermosphäre beeinflußt, kann den Wissenschaftlern auch dabei helfen, Voraussagen darüber, daß die menschgemachten Emissionen von Kohlendioxid diese Schicht kühlen sollten, zu überprüfen. (Obwohl dies der Theorie der globalen Erwärmung zu widersprechen scheint, ist schon seit langem bekannt, daß Kohlendioxid eine Erwärmung in den unteren Schichten und eine Abkühlung in den oberen Schichten der Erdatmosphäre verursacht.)

Die Thermosphäre verstehen

Die Thermosphäre der Erde ist eine der am wenigsten untersuchten Bereiche der Atmosphäre, denn "die Thermosphäre ist der Bereich, wo die Sonne als erstes mit unserer Atmosphäre wechselwirkt", erläuterte James Russell III. von der Hampton Universität in Hampton, US-Bundesstaat Virginia.

Die NASA hatte im Jahr 2001 die Mission zu Erkundung der Energetik und Dynamik von Thermosphäre, Ionosphäre und Mesosphäre (TIMED) gestartet, um ein besseres Bild von den Vorgängen in dieser äußeren Schicht zu bekommen. Die Energie, die von der Sonne dort eingebracht wird, wird von Luftmolekülen absorbiert und in das All zurückgestrahlt. Dies geschieht während der normalen Hochs und Tiefs des elfjährigen Sonnenzyklus in unterschiedlich starker Weise.

Die Sonne hat sich in den letzten paar Jahren in einem besonders langen Aktivitätsminimum mit deutlich weniger Sonnenflecken und Sonnenstürmen, die von Ihrer Oberfläche ausbrechen, befunden. Wenn sich die Sonne in diesem Zustand befindet sendet sie auch weniger Energie im unteren Röntgen- und extremen Ultravioletten Bereich des Spektrums aus. Diese Wellenlängen des Lichtes haben einen deutlichen Einfluß auf die Thermosphäre, wo die Luftmoleküle diese Energie absorbieren und sie in Form von infrarotem Licht wieder abstrahlen.

Die TIMED-Mission mißt nun sowohl die Menge der hereinkommenden solaren Strahlung als auch die Menge an Energie, die von der Schicht zurückgestrahlt wird und hat in beiden einen deutlichen Abfall entdeckt.

"Die Sonne befindet sich in einer sehr ungewöhnlichen Periode", meinte Marty Mlynczak, ein Mitglied des TIMED-Teams am Forschungszentrum der NASA in Langley, Virginia. "Die Thermosphäre der Erde reagiert bemerkenswert stark; bis zu einer Größenordnung ist die infrarote Emission/Strahlungskühlung von einigen Molekühlen zurückgegangen."

Weniger Strahlung in beiden Richtungen bedeutet auch, daß diese Schicht der Atmosphäre sich wesentlich abkühlt. Tatsächlich hat sich die Thermosphäre seit dem letzten solaren Maximum Anfang 2002 um den Faktor 10 abgekühlt!

"Ich habe vor acht Jahren sicherlich nicht erwartet, das zu sehen", meinte Mlynczak.

Die exakte Temperatur der Thermosphäre kann deutlich variieren, aber im Mittel liegt die Temperatur in 300 km Höhe bei etwa 427 °C zum Solarminimum und 927 °C im Solarmaximum. (Obwohl diese Temperaturen sehr hoch erscheinen, würde man es in dieser Höhe nicht als sehr warm empfinden, da die Moleküle in dieser Schicht viel zu weit voneinander entfernt sind.)

Die Temperatur bei diesem extremen Solarminimum ist wahrscheinlich nur ein paar Grad niedriger als während eines normalen Minimums, aber dieser kleine Unterschied kann schon eine große Änderung in der Luftdichte in dieser Schicht bedeuten.

Welch ein Widerstand!

Derselbe Kühleffekt soll auch auftreten, wenn Kohlendioxidkonzentrationen aufgrund von Emission auf der Erdoberfläche ansteigen. Daher ist das Verstehen der natürlichen Variation in dieser Schicht so wichtig, um jedwede Änderungen aufgrund des Anstiegs der Kohlendioxidkonzentration anmessen zu können.

Der Abkühleffekt hat auch eine Auswirkung auf die Umlaufbahnen von Satelliten, da sich dadurch die Dichte dieser Atmosphärenschicht ändert. Wenn sich zum Beispiel diese Schicht aufheizt, dehnt sie sich aus, wie ein Marshmallow in der Mikrowelle, wie es einige Wissenschaftler beschreiben, und tiefere dichtere Bereiche der Atmosphäre steigen zu größeren Höhen auf. Im Wesentlichen also: Wenn die obere Atmosphäre sich ausdehnt, expandiert die untere Atmosphäre ebenfalls um den Platz auszufüllen. Wenn die Thermosphäre abkühlt, passiert das Gegenteil und die Schichten schrumpfen und sinken auf niedrigere Höhen ab.

Die sich ändernde Luftdichte bedeutet, daß es die Satelliten mal mit mehr, mal mit weniger Luftwiderstand zu tun haben, der ihre Umlaufbahn mal mehr, mal weniger stark ändert. Bei Satelliten wie dem Weltraumteleskop HUBBLE kann dies einen wesentlichen Einfluß auf die Lebensdauer des Gerätes haben. Weniger Widerstand während einer kühleren Periode bedeutet, daß die Satelliten länger in der Umlaufbahn und somit in Betrieb bleiben können.

Die Abkühlung könnte auch Auswirkungen auf den Anstieg der Menge an sogenanntem "Weltraummüll" haben, alte Satelliten und Teile davon, die begonnen haben die obere Atmosphäre zuzumüllen und eine Gefahr für andere Raumfahrzeuge in der Umlaufbahn wie die Internationale Raumstation darstellen. Weniger Widerstand bedeutet hier, daß der Müll weniger stark abgebremst wird, dadurch länger in der Umlaufbahn verbleibt und länger eine Gefahr darstellt.

Wie die Wissenschaftler sagen, muß noch viel mehr Arbeit geleistet werden, um die Verbindung zwischen der Sonnenenergie, den ansteigenden Treibhausgasemissionen und der äußeren Erdatmosphäre zu verstehen.

Quelle: Space.com
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 22. Dezember MMIX