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Artikel 23. Juni 2003
Kosmisches Rätsel gelöst
Mysteriöse Gammastrahlenausbrüche konnten durch Beobachtungen des ESO VLT Hypernovaexplosionen zugeordnet werden

Gammastrahlenausbruch
Oben: Die Computeranimation eines Gammastrahlenausbruchs, der einen Stern zerstört. Hier sieht man, wie der Strahl (weiße Wolke) durch die äußere Hülle des Sterns bricht, etwa neun Sekunden nach seiner Entstehung. Der Materiestrahl, zusammen mit kräftigen Winden aus frisch erzeugtem radioaktivem Nickel-56, das von der Scheibe im Innern fortgeblasen wird, zerschmettert den Stern in Sekunden. Dieser Zerstörungsprozess repräsentiert das Supernovaereignis. (Abbildung: NASA/SkyWorks Digital)
Dank eines Schlüsselereignisses vom 29. März 2003 war es Astronomen der europäischen Südsternwarte (ESO) möglich, die Grundzusammenhänge eines Gammastrahlenausbruches (GRB), vom Ende eines Sterns bis zur Geburt eines Schwarzen Loches, zusammenzufügen.

Besagter Ausbruch vom 29. März im Sternbild Löwe, einer der hellsten und nahegelegensten, die bisher aufgezeichnet wurden, zeigt zum ersten Mal, daß ein Gammastrahlenausbruch und eine Supernova, die zwei energiereichsten Explosionen im bekannten Universum, gleichzeitig auftreten, quasi ein schneller und kraftvoller Doppelschlag.

Diese Ergebnisse erschienen in der Ausgabe der Zeitschrift Nature vom 19. Juni. Der Ausbruch wurde von der NASA-Raumsonde zur Erforschung kurzlebiger hochenergetischer Ereignisse (HETE) registriert und wurde im Detail von der übergroßen Teleskopanlage (VLT) der ESO auf dem Paranalberg in Chile beobachtet.

"Darauf haben wir eine sehr lange Zeit gewartet," erklärte Dr. Jens Hjorth von der Universität von Kopenhagen, Hauptautor eines der drei Nature-Artikels."Der Ausbruch vom 29. März enthält alle Informationen, die uns noch fehlten. Er wurde durch den Kollaps des Kerns eines massereichen Sterns verursacht."

Das Team meinte, daß der "Rosetta-Stein"-Ausbruch die Grenze für die Energiemenge, die ein Gammastrahlenausbruch freisetzt herabgesetzt habe und die meisten Theorien bezüglich der Ursache von "Langzeitausbrüchen", die länger als zwei Sekunden andauern, ausschließt.

Gammastrahlenausbrüche überstrahlen für einen kurzen Moment das gesamte Universum im Gammastrahlenbereich, indem sie die Strahlung von einer Million Milliarden Sonnen gebündelt freisetzen. Dennoch dauern sie nur einen flüchtigen Augenblick an, für Sekunden bis zu Minuten, und treten zufällig und gleichmäßig verteilt am Himmel auf, was ihr Studium besonders schwierig macht.

Supernova
Oben: Die künstlerische Darstellung einer Supernova. (Abbildung: NASA/SkyWorks Digital)
Eine Supernova wird dem Tod eines Sterns von mindestens der achtfachen Sonnenmasse in Verbindung gebracht. Sein Kern implodiert und bildet entweder einen Neutronenstern oder (wenn genügend Masse vorhanden ist) ein schwarzes Loch. Die oberen Schichten des Sterns werden von ihm fortgeschleudert und bilden das farbenreiche Muster das typisch für Supernovaüberreste ist. Wissenschaftler hatten schon lange vermutet, daß Gammastrahlenausbrüche und Supernovae in Zusammenhang stehen, hatten aber nur wenige Beweise aufgrund von Beobachtungen ... bis zum 29. März.

"Der Ausbruch vom 29. März ändert alles," meint Koautor Stan Woosley von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. "Indem wir dieses fehlende Bindeglied einfügen konnten, wissen wir nun mit Sicherheit, daß zumindest einige Gammastrahlenausbrüche produziert werden, wenn schwarze Löcher, oder zumindest sehr ungewöhnliche Neutronensterne, innerhalb von massereichen Sternen geboren werden. Allerdings können wir dieses Wissen nicht auf alle Beobachtungen von Ausbrüchen anwenden.

GRB 030329, bezeichnet nach seinem Entdeckungsdatum, hat sich in relativ geringer Entfernung zu uns ereignet, in etwa 2 Milliarden Lichtjahren Distanz (bei einer Rotverschiebung von 0.1685). Der Ausbruch dauerte etwa 30 Sekunden. ("Kurze Ausbrüche" dauern weniger als 2 Sekunden.) GRB 030329 gehört zu den 0.2% hellsten Ausbrüchen, die bisher verzeichnet wurden. Sein Nachglühen war noch wochenlang im niederenergetischen Röntgen- und im sichtbaren Licht beobachtbar.

Mit dem VLT entdeckten Hjorth und seine Kollegen im Nachglühen Hinweise für eine sich rapide ausdehnende massereiche Supernovahülle, die man auch als Hypernova bezeichnet, die an derselben Stelle und zum selben Zeitpunkt wie das Nachglühen produziert wurde. Daraus ließ sich folgendes Szenario ableiten:

Ein bläulicher Wolf-Rayet-Stern (ein Sterntyp, benannt nach den französischen Astronomen des 19. Jahrhunderts Charles Wolf und Georges Rayet), bestehend aus etwa 10 Sonnenmassen Helium, Sauerstoff und schwereren Elementen, verbrauchte seinen Brennstoff sehr schnell und startete so den Prozess, der zu einer Supernova vom Typ Ic führte. Der Kern kollabierte, ohne daß der äußere Teil etwas davon merkte. Im Inneren bildete sich ein schwarzes Loch, umgeben von einer Scheibe aus sich ansammelnder Materie, und schleuderte innerhalb von wenigen Sekunden einen Materiestrahl fort vom Schwarzen Loch, der letzten Endes die Ursache für den Gammastrahlenausbruch war.

GRB 
030329
Oben: Auf diesen Aufnahmen des VLT Kuyen vom 3. April und 1. Mai 2003 ist das verblassende Nachglühen der Hypernova, die hinter dem Gammastrahlenausbruch GRB 030329 stand, gut erkennbar. (Abbildung: ESO)
Der Strahl durchdrang die äußere Hülle des Sterns und zerschmetterte zusammen mit kräftigen Winden aus frisch erzeugtem radioaktivem Nickel-56, daß von der inneren Scheibe fortgeblasen wurde, den Stern. Währenddessen erzeugten Kollisionen zwischen Teilen des Strahls, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, alle nahe der Lichtgeschwindigkeit, bewegten, den Gammastrahlenausbruch. Dieses "Kollapsarmodell", das von Woosley 1993 vorgestellt wurde, erklärt am besten die Beobachtungen von GRB 030329, im Gegensatz zu den Modellen einer Supernova und verschmelzenden Neutronensternen.

"Das bedeutet noch nicht, daß das Geheimnis der Gammastrahlenausbrüche vollständig gelöst wurde," meint Woosley. "Wir sind aber überzeugt davon, daß langdauernde Ausbrüche mit einem Kernkollaps zusammenhängen, bei dem möglicherweise ein schwarzes Loch entsteht. Wir haben bereits die meisten Skeptiker überzeugt. Wir konnten aber noch nicht schlüssig bestimmen, was die kurzzeitigen Gammastrahlenausbrüche verursacht."

Kurzzeitige Gammastrahlenausbrüche könnten von verschmelzenden Neutronensternen verursacht werden. Eine von der NASA geleitete internationale satellitenmission mit der Bezeichnung SWIFT, die im Januar 2004 gestartet werden soll, soll sehr schnell den Ausgangsort eines Gammastrahlenausbruchs lokalisieren und könnte so auch das Nachglühen eines kurzzeitigen Gammastrahlenausbruchs eingefangen werden, deren Entdeckung bislang noch aussteht.

Das VLT ist die bislang modernste optische Teleskopanlage der Welt. Sie besteht aus vier Einzelteleskopen mit je 8,2 Metern Spiegeldurchmesser, zu denen sich in der Zukunft noch vier weitere bewegliche 1,8-Meter-Hilfsteleskope gesellen sollen, die für interferometrische Beobachtungen eingesetzt werden sollen. HETE wurde als Gelegenheitsmission im Rahmen des Explorerprogramms der NASA vom Massachusetts Institut für Technologie (MIT) in Zusammenarbeit mit weiteren US-Universitäten, dem Nationalen Laboratorium Los Alamos, sowie Wissenschaftlern und Organisationen in Brasilien, Frankreich, Indien, Italien und Japan gebaut.

Quelle: Spaceflight Now


letzte Änderung am 1. 7. MMIII