Artikel 24. August 2010 |
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ESO-Astronomen entdecken planetenreiches Sonnensystem
Hinweise auf bis zu sieben Planeten - Entfernungen folgen einem regelmäßigen Muster
"Wir haben das wahrscheinlich planetenreichste Planetensystem entdeckt", erklärte Christophe Lovis, der führende Autor der Abhandlung über die Forschungsergebnisse. "Diese bemerkenswerte Entdeckung zeigt aber auch, daß eine neue Ära in der Exoplanetforschung beginnt: Das Studium von komplexen Planetensystemen und nicht nur von einzelnen Planeten. Untersuchungen der Planetenbewegungen in dem System zeigen komplexe gravitationelle Wechselwirkungen zwischen den Planeten und geben uns einen Einblick in die Langzeitentwicklung des Systems. Das Astronomenteams setzte den HARPS-Spektrographen ein, der an das 3,6-Meter-Teleskop der europäischen Südsternwarte auf dem Berg La Silla in den chilenischen Anden angekoppelt ist, um den 127 Lichtjahre entfernten sonnenähnlichen Stern HD 10180 im Sternbild Hydrus (Südliche Wasserschlange) sechs Jahre lang zu beobachten. HARPS ist ein Instrument mit einer unerreichten Meßstabilität und einer großen Genauigkeit und ist der weltweit erfolgreichste Exoplanetenjäger. Dank der 190 einzelnen HARPS-Messungen konnten die Astronomen die winzigen radialen Bewegungen anmessen, die der Stern aufgrund der komplexen Anziehungskräfte von fünf oder mehr Planeten ausführte. Die fünf stärksten Signale korrespondieren mit Planeten von ungefähr der Masse des Neptuns (zwischen 13 und 25 Erdmassen), die den Stern zwischen 6 und 600 Tagen umlaufen. Diese Planeten bewegen sich auf Bahnen, die zwischen 0,06 und 1,4 Astronomischen Einheiten (AE) Entfernung von ihrem Zentralstern haben. Eine Astronomische Einheit ist die Entfernung Erde-Sonne (149,6 Mill. km).
Die Planeten wurden mit der Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt, bei der über den Dopplereffekt im Licht des Sterns dessen Geschwindigkeit in unsere Richtung gemessen wird. Diese Geschwindigkeit ist eine Folge der Schwereanziehung der im System vorhandenen Planeten, da sich die Planeten nicht um den Stern, sondern alle zusammen um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Die Bewegung des Sterns ist umso größer, je größer die Masse eines Planeten und je näher dieser an dem Stern ist. Da die Bewegung quer zur Sichtlinie nicht gemessen werden kann, sind Angaben über die Neigung der Planetenbahn zur Sichtlinie nicht machbar. Deshalb kann aus den Messungen der Radialgeschwindigkeit des Sterns nur auf eine minimale Masse des Planeten geschlossen werden, dessen wahre Masse umso größer angenommen werden muß, je stärker seine Bahnebene zur Sichtlinie angestellt ist. Statistisch gesehen ist diese Minimalmasse aber oftmals sehr nahe an der wahren Masse. "Dieses Objekt läßt den Stern mit nur 3 km/h taumeln, weniger als Schrittgeschwindigkeit, und diese Bewegung ist nur sehr schwer zu messen", meinte Teammitglied Damien Ségransan. Sollte seine Existenz bestätigt werden, so ist dieses Objekt ein weiteres Beispiel für einen heißen Felsplaneten, ähnlich wie Corot-7b, der im Februar 2009 entdeckt wurde. Das neuentdeckte System um den Stern HD 10180 ist in mehrerer Hinsicht einzigartig. Zuerst ist es mit mindestens fünf neptunartigen Planeten, die sich innerhalb einer Entfernung äquivalent zur Umlaufbahn des Mars befinden, dichter bevölkert als die innere Region unseres eigenes Sonnensystems und hat auch mehr massereiche Planeten dort. Im Mittel haben die die Planeten eine Masse von rund 20 Erdmassen, während die vier inneren Planeten in unserem Sonnensystem im Mittel auf nur eine halbe Erdmasse kommen. Weiterhin hat das System keinen jupiterartigen Gasgiganten. Zusätzlich scheinen alle Planeten nahezu kreisförmige Umlaufbahnen zu haben. Bislang sind 15 Systeme mit mindestens drei Planeten bekannt. Der bisherige Rekordhalter war 55 Cancri, ein System mit fünf bekannten Planeten, von denen zwei Gasriesen sind. "Systeme mit Niedrigmassenplaneten, wie das um HD 10180 scheinen recht häufig zu sein, aber ihre Entstehungsgeschichte bleibt ein Rätsel", meinte Lovis. Mit der neuen Entdeckung und ebenso mit Daten von anderen Planetensystemen fanden die Astronomen ein Äquivalent zur Titius-Bode-Regel, das von unserem Sonnensystem her bekannt ist: Die Entfernungen der Planeten von ihrem Heimatstern scheinen einem regelmäßigen Muster zu folgen. "Dies könnte ein Zeichen von dem Bildungsprozess des Planetensystem sein", meinte Teammitglied Michel Mayor. Die Titius-Bode-Regel besagt, daß die Entfernungen der Planeten von der Sonne einem einfachen Muster folgen, bei dem die äußeren Planeten jeweils rund doppelt so weit entfernt sind, als der nächstnähere Planet. Die Hypothese sagte korrekt die Umlaufbahnen von Ceres (als größtes Objekt im Asteroidengürtel) und Uranus vorher, versagte aber beim Neptun. Ein weiteres wichtiges Ergebnis, das die Astronomen entdeckt haben, während sie diese Systeme studierten, war, daß es einen Zusammenhang zwischen der Masse eines Planetensystems und der Masse und chemischen Zusammensetzung seines Zentralgestirns gibt. Alle sehr massereichen Planetensysteme wurden um masse- und metallreichen Sternen gefunden, während die vier Systeme mit der geringsten Masse um geringmassigen und metallarmen Sternen entdeckt wurden. (Nach der Definition der Astronomen sind "Metalle" alle Elemente oberhalb von Wasserstoff und Helium. Diese Metalle, abgesehen von einigen leichten Elementen, wurden alle von den verschiedenen Sternengenerationen produziert. Felsplaneten bestehen alle aus "Metallen".) Solche Eigenschaften bestätigen die derzeitigen theoretischen Modelle. Die Entdeckung wurde am 24. August auf dem Internationalen Kolloquium "Anmessung und Dynamik von transitierenden Exoplaneten" am Observatorium der hohen Provence in Frankreich. Quelle:
ESO-Presseerklärung 1035
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