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Artikel 25. April 2017
Zum Mars fliegen und dann nichts sehen? Gut möglich.
Auf langen Raumflügen wird das Sehvermögen von Raumfahrern bleibend beeinträchtigt - langjährige Studien auf der ISS bestätigen die Theorien dazu

Steve Swanson
Oben: Astronaut Steve Swanson bei der Durchführung eines Sehtests auf der Internationalen Raumstation. Swanson war im Jahr 2014 Kommandant der Expedition 40 Besatzung. (Photo: NASA)
"Mars sehen und sterben" könnte das Motto von Leuten sein, die sich für Programme bewerben, die ein Einfachticket zum Mars anbieten, wie z. B. "Mars One". Dort auf der Oberfläche des Roten Planeten zu stehen und sich die kahle und tote Landschaft aus braunen Steinen und rötlichem Sand anzuschauen, könnte für diese Menschen durchaus den Preis des Lebens wert sein.

Doch was, wenn man nach gut 200 Tagen Flug am Mars ankommt und man man genau dieses Erlebnis nicht mehr genießen kann, weil man einfach nichts mehr sieht? Das fiele dann unter "dumm gelaufen".

Auch wenn es wohl nicht ganz so extrem wird, so haben Berichte von Astronauten über bleibende Sehstörungen (vor allem erhöhte Weitsichtigkeit) nach Langzeitaufenthalten im All die NASA und andere Raumfahrtorganisationen veranlaßt, Untersuchungen zur Ursache dieses Phänomens durchzuführen. Etwa seit 2011 führen die Raumfahrer auf der Internationalen Raumstation regelmäßig Untersuchungen zur Augengesundheit durch, darunter Augeninnendruckmessungen, Ultraschalluntersuchungen des Augapfels und Photoaufnahmen des Augenhintergrundes (Retina). Nach dem Flug wurden Magnetresonanztomographien des Gehirns und der Augenhöhlen angefertigt. Die Hypothese, die dahinterstand, lautete, daß ein erhöhter Schädelinnendruck auf den Sehnerv drücke.

Alexander Gerst
Oben: Alexander Gerst bei einer Untersuchung des Augenhintergrundes. Es zeigte sich, daß die Erhöhung des Schädelinnendrucks eine Veränderung der Ansatzstelle des Sehnervs in der Retina zur Folge hat. (Photo: NASA)
Wie kann das sein? Bekannt war schon seit langem, daß sich in der Schwerelosigkeit die Körperflüssigkeiten neu verteilen. Dabei fließt vor allem mehr Flüssigkeit in den Kopf, was unter anderem dazu führt, daß die Zunge anschwillt, worunter das Geschmacksempfinden der Astronauten leidet. Das Essen für die Raumfahrer muß daher immer besonders gut gewürzt sein, da es ihnen ansonsten als zu fad vorkommt.

Die erhöhte Flüssigkeitsmenge im Kopf führt aber vor allem auch zu einem Anstieg des interkranialen Drucks, also des Drucks der Gehirnflüssigkeit. Dadurch dehnt sich das Gehirn etwas aus. Da es aber durch die Schädelhöhle im Volumen begrenzt ist, dehnt es sich vor allem in die Richtungen aus, wo es offene Höhlungen gibt, wie z. B. die Augenhöhlen. Dabei drückt es auf den Sehnerv, was in der Folge zu Beeinträchtigungen des Sehvermögens führt.

Was bisher noch als Hypothese galt, wurde nun offenbar durch die Auswertung der Meßdaten von Untersuchungen an sieben Langzeitastronauten, die in den letzten Jahren auf der Internationalen Raumstation gelebt und gearbeitet haben (darunter der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst, NASA-Astronaut Steve Swanson und NASA-Astronaut Scott Kelly, der 2015 eine Einjahresmission absolviert hatte), bestätigt. Die Untersuchungen zeigten Abflachungen der Augäpfel und Ödeme an der Sehnervenscheibe, einer tellerförmigen Vertiefung in der Netzhaut.

Diese Ergebnisse wurden Ende letzten Jahres auf dem Treffen der radiologischen Gesellschaft von Nordamerika von Dr. Noam Alperin vorgestellt. Er zeigte auch, daß alle sieben untersuchten Astronauten ein im Vergleich mit Kurzzeitastronauten signifikant erhöhtes Hirn- und Rückenmarksfluidvolumen sowohl in der Hirn-, als auch in der Augenhöhle aufwiesen.

Die gute Nachricht ist aber, daß die durch den Aufenthalt in der Schwerelosigkeit hervorgerufene Weitsichtigkeit wohl mit optischen Hilfsmitteln ausgeglichen werden kann. Werfen Sie also Ihr Ticket zum Mars noch nicht weg. Kaufen Sie sich lieber eine Brille gegen Weltraumweitsichtigkeit.

Quelle: Medscape
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 25. April 2017