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Artikel 7. Oktober 2001
Bakterien mit einer Nase für Wasser
Wissenschaftler haben primitive Zellen entdeckt, die dem Wasser folgen, und sich so vor Austrocknung schützen

Wundersame Dinge passieren in der Wüste, wenn es regnet - das Braun verwandelt sich in Grün, und Organismen, die man monatelang nicht gesehen hat, tauchen für kurze Zeit aus ihrem unterirdischen Unterschlupf auf.

Erblühende

Wüste
Oben: Der Wüstenboden färbt sich grün nach einem Regenschauer, im gleichen Maße, wie Zyanobakterien unter der Oberfläche Wasser aufnehmen und an die Oberfläche streben. Wissenschaftler haben herausgefunden, daß sie sich wieder unter die Oberfläche zurückziehen, sobald die Erde wieder zu trocknen beginnt. (Photo: Staatsuniversität von Arizona)
Tatsächlich färbt sich sogar der Wüstenboden sichtlich grün, wo es den seltenen Wüstenregen gibt. Versteckte Filamente der photosynthetischen Zyanobakterien werden plötzlich bewässert. Diese primitiven Prokaryonten liegen nur ein paar Millimeter tief im Boden und gleiten sofort nach oben, wandern in Massen an die Oberfläche, um für nur etwa eine Stunde dem Licht ausgesetzt zu sein, bevor es wieder zu trocken wird. Dann, genauso plötzlich, kehren sie wieder unter die Oberfläche zurück, wo sie die lange Warterei auf den nächsten Regen beginnen.

Die Existenz von solchen "geheimen" mikrobiellen Gesellschaften ist lange bekannt, und es wurde angenommen, daß das Verhalten der Organismen durch das übliche, auf Lichtreize basierende Verhalten erklärt werden kann. Jetzt zeigt ein neuer Fund des Bakterienökologen Ferran Garcia-Pichel der Staatsuniversität Arizona und Olivier Pringault des Biologischen Ozeanographischen Laboratoriums der Universität Bordeaux, daß dieses Phänomen eigentlich viel komplizierter ist; mit signifikanten Verwicklungen zwischen dem Verhalten und der Ökologie von anderen unterirdischen Mikroorganismen. Die Forschung ist in der Ausgabe vom 27. September der Zeitschrift Nature dokumentiert.

Durch Beobachtung verschiedener Arten von erdkrustenbewohnenden Zyanobakterien fand das Team heraus, daß die Bewegungen der Bakterien durch die Ab- oder Anwesenheit von Wasser beeinflußt wurden und nicht nur allein durch Licht. Dies ist das erste Mal, daß ein solches Verhalten bei Bakterien beobachtet wurde.

Gemäß Garcia-Pichel war das Team zuerst von einer "serendiptischen"* Feldbeobachtung fasziniert. "Was wir entdeckten, war, daß wenn eines dieser Regenereignisse geschah, die Zyanobakterien an die Oberfläche der Erde kamen. Aber wenn der Boden wieder trocknete, verschwanden die Zyanos wieder unter der Oberfläche, obwohl die Lichtverhältnisse sich nicht verändert hatten. Im wesentlichen änderte sich nichts, außer die Verfügbarkeit von Wasser," erklärt er.

Coloradowüste

nach dem Regen
Oben: Die Wüstenkruste des Colorado-Plateaus nachdem es geregnet hat. Die mikrobiellen Gesellschaften sind extremen Bedingungen wie Wasserspannungen, Temperaturschwankungen, Isolierung und erosiver Abtragung unterworfen. (Photo: Staatsuniversität von Arizona)
Nachträglich wurden die Bakterien sowohl unter Laborbedingungen als auch unter kontrollierten Lichtbedingungen getestet, um die Beziehung zwischen der Bewegung der Bakterien und dem Wassergehalt des Bodens festzustellen. Die Testergebnisse zeigen klar, daß die Bakterien von dem Wasser angezogen werden.

"Diese Wanderungen sind richtige Völkerwanderungen, die sich auf wenigen Millimetern abspielen -- fast 100% der Population kommen an die Oberfläche, " bemerkt Garcia-Pichel. "Ihre Tendenz, dem Wasser zu folgen, überwiegt ihre Tendenz, dem Licht zu folgen. Wir haben das vorher noch nie gesehen."

Garcia-Pichel nimmt an, daß Wasser für die Bakterien ein kritischer Faktor ist, nicht nur für ihren Metabolismus, sondern auch für ihre Bewegung. "Sie gehen runter, weil sie dadurch, daß sie dem Wasser folgen, sich selbst beschützen. Sie könnten vertrocknen und wenn sie auf dem Trockenen liegen, können sie sich nicht bewegen. An der Oberfläche wären sie gefährlicheren Bedingungen preisgegeben."

Garcia-Pichel deutet an, daß der Fund umfassende Hinweise für die Untersuchung der Ökologie der immer noch wenig verstandenen Bakterienarten, die tief unter der Oberfläche leben, gibt.

"Wenn einmal Eigenschaften wie diese gefunden wurden, sind sie gewöhnlich nicht auf einen Organismus allein beschränkt. Wir haben das bei einer Vielzahl von Zyanobakterien gesehen. Falls das wirklich eine weitverbreitete Fähigkeit bei den Bakterien ist, hat es auch Auswirkungen auf unser Verständnis der Bakteriengesellschaften tief unter der Oberfläche. Bakteriengesellschaften könnten unter der Oberfläche dem Wasser über große Distanzen folgen," meint er.

Ablaufrinnen auf

dem Mars
Oben: Rinnen, die in Steilhängen auf dem Mars gesichtet wurden, lassen vermuten, daß in geologisch naher Vergangenheit flüssiges Wasser auf der Oberfläche geflossen ist. (Photo: NASA/JPL/MSSS)
Ähnlich sind die Bedingungen für Leben, das sich womöglich in einer anderen extremen Umgebung angesiedelt hat - auf dem Mars. Obwohl Zyanobakterien zu den primitivsten Lebewesen gehören, haben sie komplexe Fähigkeiten entwickelt, um in einer Umgebung zu überleben, in der Wasser gleichermaßen knapp und vergänglich ist.

Wüsten sind irdische Ökosysteme, die eine gewisse Bedeutung für den Mars haben. Falls es in der Vergangenheit auf dem Mars Wasser gab, dann waren diese gegen Austrocknung resistenten Umgebungen wahrscheinlich die letzten, die dort existierten. Dies ist eines der erfolgversprechendsten Ökosysteme, die einen Stempel hinterlassen haben, für den wir einen Beweis finden können," erzählt Garcia-Pichel.

"'Folge dem Wasser' wird zu einem erfolgreichen Stenogramm für die wissenschaftliche Richtung der Erforschung des Mars und darüber hinaus," sagt Rose Grymes, stellvertretende Direktorin des Astrobiologischen Institutes der NASA (NAI), bei dem die Staatsuniversität von Arizona Mitglied ist. "Diese faszinierende Forschung trägt direkt bei zu unserem Verständnis, wie lebende Systeme sich an planetare Umgebungen anpassen und von ihnen beeinflußt werden, und wie sie ihre Unterschrift hinterlassen; selbst an Stellen, die höchst unwirtlich erscheinen."

Diese Forschung wurde durch eine Spende des U.S. Landwirtschaftsministeriums ermöglicht.

*Das englische Wort "Serendipity" bedeutet soviel wie "durch glückliche Umstände besondere, freudebringende Entdeckungen machen". Es stammt möglicherweise aus einem persischen Märchen namens "Die drei Prinzen von Serendip".(Anm. d. Red.)

Übersetzt und bearbeitet von Melanie Lindner.

Quelle: Astrobiologisches Institut der NASA (NAI)


letzte Änderung am 20. Mai MMII