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Artikel 28. Oktober 2015
Neue NASA-Studie löst Rätsel der organischen Stoffe im Mondgestein
Ursprung der Aminosäuren in den Mondproben konnte wegen fehlender Technologie jahrzehntelang nicht richtig untersucht werden

Alan Bean mit Mondprobe
Oben: Astronaut Alan Bean, der Pilot der APOLLO-12-Landefähre, hält einen Probenbehälter mit Monderde in der Hand während der Erkundung der Mondoberfläche. Das Photo wurde von APOLLO 12 Kommandant Charles "Pete" Conrad geschossen, der sich im Visier von Beans Helm spiegelt. (Photo: NASA)
Eine Gruppe NASA-finanzierter Wissenschaftler hat ein lange existierendes Rätsel der APOLLO-Missionen zum Mond gelöst, nämlich den Ursprung der organischen Stoffe, die in den zur Erde zurückgebrachten Mondproben gefunden wurden. Diese Proben, die von den APOLLO-Astronauten dem Mondboden entnommen wurden, enthalten sehr geringe Mengen an Aminosäuren. Bestimmte Aminosäuren sind die Bausteine von Proteinen, wichtigen Molekülen, die von Lebewesen genutzt werden, um Strukturen, wie Haare und Haut zu bilden, oder um als Enzyme chemische Reaktionen zu steuern.

Da die Mondoberfläche vollständig unwirtlich für alle bekannten Formen des Lebens ist, gehen die Wissenschaftler nicht davon aus, daß die organischen Stoffe von Leben auf dem Mond selbst produziert wurden. Vielmehr denken sie, daß die Aminosäuren von vier anderen möglichen Quellen stammen könnten.

1.: Da es überall auf der Erde Spuren von Leben gibt, könnten die Aminosäuren schlicht von Verunreinigungen durch irdische Quellen stammen, und zwar entweder von Material, das während der Missionen zum Mond gebracht wurde, oder durch Verunreinigung bei der Behandlung der Proben nach der Rückkehr zur Erde.

2.: Raketenabgase der Mondlandefähren enthalten Ausgangsstoffe für Aminosäuren wie Zyanwasserstoff (HCN). Diese Verunreinigungen hätten während der Analyse der Mondproben im Labor Aminosäuren entstehen lassen können.

3.: Der Sonnenwind, ein dünner Strom elektrisch geladenen Plasmas, das kontinuierlich von der Sonne ausgestoßen wird, enthält die Elemente, die für die Bildung der Aminosäuren benötigt werden, wie z. B. Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff. Genauso wie die Verunreinigung durch die Triebwerksabgase, könnte das Material vom Sonnenwind während der Probenanalyse sich zu Aminosäuren verbinden.

Und 4.: Chemische Reaktionen innerhalb von Asteroiden erzeugen die Aminosäuren. Bruchstücke von Asteroidenkollisionen fallen gelegentlich als Meteoriten auf die Erde und bringen ihre außerirdischen Aminosäuren mit. Die Mondoberfläche wird ständig mit Meteoriten bombardiert und könnte daher auch Aminosäuren von Asteroiden enthalten.

"Die Leute wußten, daß sich Aminosäuren in den Mondproben befanden, aber sie wußten nicht, wo sie herkamen", erklärte Jamie Elsila vom Goddard Raumflugzentrum der NASA in Greenbelt im US-Bundesstaat Maryland. "In den 1970ern wußten die Wissenschaftler zwar die richtigen Fragen zu stellen und arbeiteten hart daran, die Antworten darauf zu finden, aber zu der damaligen Zeit waren die Analysemöglichkeiten noch zu begrenzt. Heute haben wir die Technologie dafür und wir konnten bestimmen, daß der größte Teil der Aminosäuren aus irdischen Quellen stammt und nur ein sehr kleiner Teil aus Asteroideneinschlägen." Elsila ist der Hauptautor einer Abhandlung über diese Forschungsarbeit, die am 28. Oktober im Internet bei Geochemica et Cosmochemica Acta veröffentlicht wurde.

Die Gruppe analysierte sieben Proben, die während der APOLLO-Missionen gesammelt worden waren und seit der Rückkehr zur Erde in einer NASA-Aufbewahrungseinrichtung gelagert worden waren. Dabei maßen sie sehr niedrige Konzentrationen an Aminosäuren in der Größenordnung zwischen 105 und 1910 Teilen pro Milliarde. Eine der neuen Schlüsseltechnologien von Goddards Astrobiologischem Analyselabor sind Instrumente mit genügender Empfindlichkeit, um die isotopische Zusammensetzung von Aminosäuremolekülen zu bestimmen. Dies ermöglichte der Gruppe die Aussage zu treffen, daß terrestrische Verunreinigung die Hauptursache für die Mondaminosäuren ist.

Isotope sind verschiedene Variationen von Elementen, die sich nur in der Anzahl der Neutronen im Atomkern unterscheiden. Kohlenstoff-13 z. B. hat gegenüber dem am weitesten verbreiteten Kohlenstoff-12 ein Neutron mehr im Kern. Das Leben zieht das leichtere Kohlenstoff-12 vor, das ein bißchen williger reagiert als die schwereren Isotope, daher findet man in Aminosäuremolekülen, die durch irdisches Leben hergestellt wurden, weniger Kohlenstoff-13, als in Aminosäuren, die anorganisch in Asteroiden entstanden sind. Und genau das haben die Wissenschaftler bei der Isotopenbestimmung einer Probe entdeckt, die genügend Material für eine Analyse enthielt. Die isotopische Zusammensetzung der Aminosäuren Glycin, ß-Alanin, and L-Alanin hatten weniger Kohlenstoff-13 und ähnelten viel mehr Aminosäuren von der Erde, als denen aus Meteoriten.

Durch die Bestimmung der isotopischen Zusammensetzung konnte auch der Sonnenwind als mögliche Ursache ausgeschlossen werden, da der Sonnenwind viel weniger Kohlenstoff-13 enthält, als in der Probe gefunden wurde.

Abgesehen davon hätte man, wenn der Sonnenwind die Ursache gewesen wäre, in Proben direkt von der Mondoberfläche, die dem Sonnenwind am stärksten ausgesetzt waren, eine größere Menge an Aminosäuren finden müssen, als in Proben aus tieferen Schichten unter der Oberfläche. Man fand aber genau das Gegenteil: Die Proben von unter Oberfläche, die vor dem Sonnenwind am meisten geschützt waren, enthielten auch die höchsten Aminosäurekonzentrationen.

Mit einer ähnlichen Begründung konnten auch die Treibwerksabgase der Mondlandefähren als mögliche Ursache für die Entstehung der Aminosäuren ausgeschlossen werden. Wenn Verunreinigungen durch die Mondlandertriebwerke die Aminosäuren produziert hätten, hätte man direkt unter dem APOLLO 17 Landemodul mehr Aminosäuren finden müssen, als anderswo. Tatsächlich fand man aber in einer Probe, die in 6,5 km Entfernung vom Lander genommen wurde, in etwa die gleiche Konzentration, wie in der Probe, die unter dem Lander genommen worden war.

Die Fähigkeit, die Orientierung eines Aminosäuremoleküls zu bestimmen, war eine weitere entscheidende Technologie des Goddard-Labors, die es ihnen ermöglichte, den Ursprung der Mondaminosäuren zu finden. Aminosäuremoleküle können in zwei Formen auftreten, die Spiegelbilder voneinander sind, wie die Hände eines Menschen. Der Fachbegriff dafür ist Chiralität. Werden die Aminosäuren durch nichtbiologische Prozesse erzeugt, entstehen beide Varianten in etwa der gleichen Menge. In der irdischen Biologie wird aber die liksdrehende Variante bevorzugt gebildet, während die rechtsdrehende praktisch gar nicht gebildet wird. In den Proben fanden Elsila und seine Kollegen nun, daß von bestimmten Aminosäuren, die für den Aufbau von Proteinen eingesetzt werden, weitaus mehr von der linksdrehenden als von der rechtsdrehenden Variante vorhanden war. Da das irdische Leben nur die linksdrehende Variante nutzt, war klar, daß nur dieses als Ursache für die Aminosäuren infrage kam.

Obwohl wahrscheinlich die allermeisten der Aminosäuren von der Erde stammen, konnte die Gruppe die Möglichkeit, daß einige von Asteroiden stammen, nicht vollständig auschließen, da sie einige Aminosäuren fand, die in der irdischen Biochemie äußerst selten vorkommen, dafür aber gewöhnlich in Meteoriten gefunden werden können, wie z. B. Alpha-Aminoisobutylsäure (AIB). Diese Entdeckung läßt vermuten, daß Meteoriten zumindest einen kleinen Anteil an den Aminosäuren lieern, die auf der Mondoberfläche gefunden werden können.

Die Forschungsarbeit hat wichtige Auswirkungen für zukünftige Missionen, die nach außerirdischen organischen Substanzen suchen, die zwar vorhanden sein, aber nur in sehr kleinen Konzentration (in Spuren) vorkommen können. "Diese Arbeit stellt besonders heraus, daß selbst mit gut durchdachten Kontaminationsvorsorgemaßnahmen Spuren von organischen Substanzen in außerirdischen Proben immer noch von irdischen Quellen überdeckt werden können", meinte Elsila. "Zukünftige Missionen, die auf der Suche nach organischen Substanzen sind, müssen nicht nur rigorose Kontaminationsvorsorge betreiben, sondern auch Vergleichsproben nehmen, die die Umgebung und die möglichen Verunreinigungen, die beim Aufbau und Start der Mission vorherrschten, dokumentieren, um den unvermeidlichen Kontaminationshintergrund bewerten zu können."

Dies ist eine Lektion, die direkt in's Herz der NASA-Mission OSIRIS-REx zielt, die 2016 starten soll, um im Jahr 2023 Proben ursprünglichen Materials vom Asteroiden Bennu zur Erde zurückzubringen.

Die APOLLO-Proben wurden Ende der 1960er und Anfang der 1970er genommen und heben den Dauerwert von Probenrückholmissionen hervor. "Diese Proben wurden vor meiner Geburt eingesammelt, als die Techniken, mit denen wir sie untersucht haben, noch gar nicht erfunden waren; die Aufbewahrung der Proben für zukünftige Arbeiten ermöglichte es uns, den Ursprung der Aminosäuren in den Proben zu identifizieren, eine Frage, die die ursprünglichen Forscher noch nicht zu beantworten in der Lage waren", erklärte Elsila.

Diese Forschungsarbeit wurde durch das NASA-Programm für weitergehende wissenschaftliche und Explorationserforschung des Mondes (LASER) unterstützt, wie auch vom Astrobiologischen Institut der NASA, geführt vom Ames Forschungszentrum der NASA in Mountain View, Kalifornien und dem Goddard Zentrum für Astrobiologie. Zur Forschungsgruppe gehörten Wissenschaftler des Johnson Raumfahrtzentrum der NASA in Houston, Texas und von Goddard.

Quelle: NASA Goddard Raumflugzentrum, Bill Steigerwald
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 29. Oktober 2015