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Venus Express erreicht die Venus. (Abbildung: ESA - AOES Medialab) |
Am 9. November vergangenen Jahres hob die ESA-Sonde Venus Express an Bord
eines Sojus-Fregat-Trägers von der kasachischen Wüste ab. Nach einer Reise von 400 Millionen km, die sie in knapp fünf Monaten zurückgelegt hat, befindet sie sich nun im Anflug auf die Venus. Das Rendezvous der Sonde mit ihrem Zielplaneten findet am 11. April statt.
Erster Schritt: Das Rendezvous mit der Venus
Bevor sie mit der Erforschung des heißen und dunstigen "Schwesterplaneten" der Erde beginnen kann, muss Venus Express zunächst die größte Herausforderung seit dem Start meistern und mittels einer Reihe komplexer Abläufe und Manöver eine Umlaufbahn um die Venus erreichen. Mit dem Manöver zur Einbringung in die Venusumlaufbahn (VOI) wird die Sonde abgebremst, sodaß sie vom Schwerefeld der Venus erfaßt werden kann. Dies ist insofern kritisch, als es exakt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort erfolgen muß.
Die Phase der Einbringung der Sonde in die Venusumlaufbahn hat eigentlich
schon am 4. April begonnen und wird bis zum 13. April dauern. Sie gliedert
sich in drei wesentliche Teilphasen. Die erste besteht darin, die Sonde
auf das eigentliche Einschußmanöver vorzubereiten ("Initalisierung"), um
zu verhindern, daß sie in den abgesicherten Modus übergeht, sollten
VOI-unabhängige Parameter der Sonde außer Kontrolle geraten.
Die zweite Teilphase, das eigentliche Einschußmanöver, erfordert den
Betrieb des Haupttriebwerks für eine Dauer von rund 50 Minuten am
Vormittag des 11. April, das dafür um 9:17 Uhr MESZ gezündet werden soll.
In der dritten und letzten Phase schließlich werden sämtliche Funktionen
der Sonde, insbesondere die Kommunikation mit der Erde, reaktiviert und
die während des ersten Umlaufs (dem stark elliptischen "Einfangorbit") auszuführenden Befehle an die Sonde gesendet.
Das Einbringen der Sonde in das Schwerefeld des Planeten wird durch eine
automatische Sequenz vorab festgelegter Befehle gesteuert, die vier
Tage vor dem VOI heraufgeladen werden. Diese Sequenz umfaßt das Minimum
der für die Zündung des Haupttriebwerks notwendigen Befehle.
Für die Überwachung und Steuerung des gesamten Ablaufs ist das
Venus-Express-Bodenkontrollteam im Raumflugkontrollzentrum der ESA (ESOC)
in Darmstadt zuständig.
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Am 11. April wird sich Venus Express in eine Umlaufbahn um unseren Schwesterplaneten einschießen. Dafür wird das Haupttriebwerk 50 Minuten lang betrieben werden. (Abbildung: ESA - AOES Medialab) |
Zeitlicher Ablauf der wesentlichen VOI-Ereignisse (Änderungen möglich)
4. April: Das an die Niedrigleistungsantenne angeschlossene
Sendegerät der Sonde wurde eingeschaltet.
Während ihres Flugs zur Venus
kommunizierte die Sonde über ihre beiden Hochleistungsantennen mit der
Erde; dies wird auch während des wissenschaftlichen Teils der
bevorstehenden Mission der Fall sein. Während der Erfassung durch das
Schwerefeld des Planeten können diese beiden Antennen jedoch wegen der
dann erforderlichen Positionierung der Sonde nicht benutzt werden.
Die Niedrigleistungsantenne überträgt ein schwaches, aber unmittelbar
erkennbares Signal und wird dieses während aller VOI-Phasen senden.
Dadurch können die Flugleittechniker am Boden die Veränderung der Geschwindigkeit
der Sonde während der Triebwerkzündung beobachten; für den Empfang werden
sie die 70-Meter-Antenne für interplanetare Missionen der NASA in der Nähe
von Madrid verwenden. Während der Triebwerkzündung ist keine andere Form
der Kommunikation mit der Erde möglich.
5. und 9. April: Kurskorrekturmanöver.
Für etwaige Kurskorrekturen stehen
zwei Zeitfenster zur Verfügung. Da jedoch bereits die Ende März durchgeführte
Kurskorrektur äußerst präzise verlaufen ist, befindet sich Venus Express
gegenwärtig auf der richtigen Flugbahn für einen erfolgreichen Eintritt in
die Venusumlaufbahn, weswegen es unwahrscheinlich ist, daß diese beiden
zusätzlichen Zeitfenster in Anspruch genommen werden müssen.
10. bis 11. April: letzte Vorbereitungen auf das Manöver.
Zwischen 24 und
12 Stunden vor dem VOI werden die Flugleittechniker Venus Express endgültig für
die Triebwerkszündung konfigurieren. In den letzten 12 Stunden werden sie
den Zustand der Sonde überwachen, bereit, bei Bedarf eine letzte
Kurskorrektur vorzunehmen oder die Dauer der Triebwerkszündung zu ändern.
11. April, 08:03 Uhr MESZ: "Schwenkmanöver" der Sonde.
Bei diesem etwa
halbstündigen Manöver wird Venus Express so gedreht, daß ihr Haupttriebwerk in die Flugrichtung zeigt und die anschließende Zündung die Sonde abbremst und nicht beschleunigt.
11. April, 09:17 Uhr MESZ: Zündung des Venus-Express-Haupttriebwerks.
Wenige Minuten nach der Zündung der Triebwerke der Sonde, die dafür sorgt,
daß der Treibstoff in die Leitungen zum Haupttriebwerk gelangt, beginnt
die 50-minütige Betriebsphase des Haupttriebwerks, die bis 10:07 Uhr dauert.
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Der Einsatz des Haupttriebwerks ist das kritischste Manöver, das Venus Express durchführen muß. Dabei führt es die Sonde in den Funkschatten der Venus. Erst wenn die Sonde wieder hinter der Venus hervorkommt, kann bestimmt werden, ob der Einschuß erfolgreich war, oder nicht.(Abbildung: ESA - AOES Medialab) |
Durch diesen Schub wird die ursprüngliche Geschwindigkeit der Sonde von 29.000 km/h um 15 % verringert, sodaß das Schwerefeld der Venus sie erfassen
kann. Venus Express beginnt ihren ersten Umlauf um die Venus auf einer
stark elliptischen Bahn; dieser Umlauf dauert etwa neun Tage. Zum
Zeitpunkt des Einschußes wird Venus Express rund 120 Millionen km von der
Erde entfernt sein; ihr venusnächster Punkt liegt rund 400 km über der
Oberfläche des Planeten.
Während des Triebwerkslaufes wird Venus Express um 09:45 Uhr MESZ für eine
Dauer von etwa 10 Minuten hinter der Venus verschwinden. Während dieser
Okkultation ist die Sonde von der Erde aus nicht "sichtbar". Sie kann also
selbst mit dem Signal der Niedrigleistungsantenne nur während der ersten
Hälfte der Zündung und anschließend während der letzten sechs Minuten
direkt mitverfolgt werden. Der Empfang des Signals der Sonde nach der
Okkultation wird das erste positive Zeichen einer erfolgreichen
Einbringung in die Umlaufbahn sein.
11. April, 11:13 Uhr MESZ: Wiederherstellung der Kommunikation zwischen
Venus Express und der Erde.
Nach der Abschaltung des Haupttriebwerks muß
Venus Express eine Reihe von Befehlen automatisch ausführen. Unter anderem
müssen die Sonnenzellenflügel wieder zur Sonne und eine der
Hochleistungsantennen (die kleinere "Hochleistungsantenne 2“) wieder zur Erde ausgerichtet werden. Wenn alles wie geplant läuft, müßte die Sonde um 11:13 Uhr erstmals Kontakt mit der ESA-Bodenstation in Cebreros bei Madrid aufnehmen. In den nächsten Stunden wird sie dann die lange erwarteten Informationen über ihren Zustand
übermitteln. Angaben zu ihrer Flugbahn wird das Flugdynamik-Team im ESOC
ab etwa 12:30 Uhr MESZ machen können.
12. bis 13. April: Beginn der vollen Reaktivierung der Sonde.
In den 24
Stunden nach dem Eintritt in die Venusumlaufbahn werden alle Funktionen
der Sonde reaktiviert, darunter die gesamte interne Überwachungskapazität.
Bis zum Morgen des 13. April wird die größere "Hochleistungsantenne 1", die bisher nicht benutzt wurde, korrekt ausgerichtet und dann einsatzbereit für die Kommunikation mit der Erde sein. Die beiden Hochleistungsantennen, die an unterschiedlichen Seiten der Sonde
angebracht sind, sollen während der Mission abwechselnd genutzt werden, um
zu vermeiden, daß kritische Außenbordkomponenten der Sonne ausgesetzt werden.
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Diese Graphik zeigt den Weg den Venus Express vom Start auf der Erde bis in seine endgültige Umlaufbahn zurücklegen muß. (Abbildung: ESA - C. Carreau) |
Erreichen der Zielbahn
Bevor Venus Express nach einer Reihe weiterer Manöver ihre endgültige
Einsatzbahn erreicht, werden noch viele Tage vergehen. Die erste
9-Tage-Umlaufbahn ist elliptisch mit einem Apozentrum (planetenfernster Bahnpunkt) von 350.000 km und einem Perizentrum (planetennächster Bahnpunkt) von weniger als 400 km.
In dieser Zeit werden sieben weitere Triebwerkzündungen erfolgen (davon
zwei mit dem Haupttriebwerk), um in den folgenden Umläufen das Apozentrum
schrittweise zu senken. Die Zielbahn, eine polare Umlaufbahn in 250 bis 66.000 km über der Venusoberfläche, deren Perizentrum bei über 80° nördlicher
Breite liegt, wird am 7. Mai nach 16 Umläufen erreicht sein.
Am 22. April beginnt die orbitale Inbetriebnahme der Sonde. Ihre Instrumente werden bis zum 13. Mai nacheinander eingeschaltet und gründlich durchgeprüft, anschließend werden sie alle zusammen bzw. in Gruppen betrieben. Dies gestattet die gleichzeitige Beobachtung von zu testenden Phänomenen, sodaß zum Beginn der nominalen wissenschaftlichen Phase am 4. Juni alles startklar ist.
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Venus Express soll Erkenntnisse über die Venusatmosphäre gewinnen und ergründen, was die beiden gewaltigen Wirbelstürme am Nordpol des Planeten am Leben hält. (Abbildung: ESA - AOES Medialab) |
Beobachtungen von der Einschuß-Umlaufbahn
Bereits der 9-tägige Umlauf auf der ersten Bahn wird eine gute Gelegenheit
für wissenschaftliche Beobachtungen sein. Diese werden jedoch frühestens
30 Stunden nach der VOI und nur dann stattfinden, wenn nicht andere
kritische Vorgänge vorrangig durchgeführt werden müssen. Die erste
Gelegenheit zur Erfassung wissenschaftlicher Daten ergibt sich am 12./13.
April.
Während der ersten Umläufe wird sich die gesamte Scheibe der Venus im
Blickfeld der abbildenden Instrumente von Venus Express befinden, was
während der nominalen Phase aufgrund der dann geringeren Abstände zur
Oberfläche nicht mehr möglich sein wird. Diese Beobachtungen werden sich
hauptsächlich auf die südliche Hemisphäre konzentrieren, die bei früheren
Missionen nur unzureichend erforscht wurde.
Vor allem die Geometrie der ersten Umlaufbahn ermöglicht die
kontinuierliche und eingehende Beobachtung der Dynamik der Atmosphäre aus
einer größeren Entfernung über einen den vollen Rotationszyklus der
Atmosphäre am oberen Ende der Wolken (die nach wie vor nicht erklärte
viertägige "Super-Rotation“) übersteigenden Zeitraum hinaus. Die
Erforschung der Atmosphäre ist denn auch eines der Hauptziele der Mission.
So kann beispielsweise das abbildende Spektrometer im sichtbaren und nahen
Infrarotbereich (VIRTIS) aus Entfernungen von über 200.000 km
Schnappschüsse der gesamten Scheibe des Planeten und seiner Atmosphäre
machen. Während der nominalen wissenschaftlichen Phase hingegen müssen die
Abbildungen der Atmosphäre als "Mosaik" zusammengefügt werden.
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Venus Express soll auch die Auswirkungen des immerwährenden Sonnenwindes auf die Atmosphäre der Venus erforschen. Da der Planet über kein signifikantes Magnetfeld verfügt, das ihn schützt, wird beständig Gas vom Planeten "weggeblasen". (Abbildung: ESA - C. Carreau) |
Mit dem Gerät zur Analyse von Plasma und energiereichen Atomen (ASPERA)
werden erstmals aus großer Entfernung der ungehindert einwirkende
Sonnenwind beobachtet und Daten über Entweichungen in die Atmosphäre auf
einem Planeten ohne magnetischen Schutz gesammelt werden können.
Mit Ausnahme des Radiosondierungsexperiments VeRA und des
PFS-Spektrometers können auf der ersten Umlaufbahn alle
Venus-Express-Instrumente zu ausgewählten Zeitpunkten für einige Stunden
pro Tag Beobachtungen durchführen.
Eine Fülle wissenschaftlicher Untersuchungen
Venus Express soll über zwei Venustage, was 486 Erdtagen entspricht,
wissenschaftliche Beobachtungen durchführen. Die Mission könnte um
denselben Zeitraum verlängert werden.
Trotz intensiver früherer Erforschungstätigkeiten (die Venus ist nach dem
Mond und dem Mars das am dritthäufigsten besuchte Himmelsobjekt) ist
dieser Planet nach wie vor äußerst geheimnisvoll. Die einzigartigen
Instrumente zur Planetenexploration an Bord von Venus Express wurden so
entworfen, daß sie Erkenntnisse aus früheren Missionen nutzen und den
Rätseln der Venus mit bisher nicht gekannter Präzision auf den Grund gehen
können.
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Das Radiowissenschaftliche Experiment VeRA soll eine Sondierung der Atmosphäre durchführen und auch das Schwerefeld der Venus vermessen. (Abbildung: ESA - AOES Medialab) |
Die "Augen" der Sonde umfassen eine Kombination aus Spektrometern (das
Planeten-Fourier-Spektrometer PFS und das Atmosphärenspektrometer im
ultravioletten und Infrarotbereich SpicaV/SOIR), abbildenden Spektrometern
(das abbildende Spektrometer im ultravioletten, sichtbaren und nahen
Infrarotbereich VIRTIS) und Abbildungsgeräten (die
Venus-Beobachtungskamera VMC).
Diese Instrumente sind in unterschiedlichen elektromagnetischen
Wellenlängen vom Ultraviolett- bis zum Infrarotbereich äußerst empfindlich
und werden eine eingehende Untersuchung der Atmosphäre und ihrer
Wechselwirkung mit der Oberfläche der Venus gestatten. Außerdem führt die
Sonde das Magnetometer MAG und die bereits erwähnten Instrumente ASPERA
und VeRA mit, die die Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre und dem nie
nachlassenden Sonnenwind erforschen werden.
Venus Express wird sich erstmals die so genannten "Infrarot-Fenster"
zunutze machen, kleine atmosphärische Lücken im Infrarotbereich des
Spektrums. Durch diese Fenster lassen sich wertvolle Erkenntnisse über die
unteren Schichten der Atmosphäre und sogar über die Oberfläche gewinnen.
Die Mission wird dazu beitragen, eine Reihe von Fragen zu beantworten. Wie
etwa funktionieren die komplexe Dynamik der Atmosphäre und das
Wolkensystem? Was verursacht die schnelle "Super-Rotation" der Atmosphäre
an der Obergrenze der Wolken? Und wie kommt es zu dem doppelten Wirbel am
Nordpol?
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Die neue Weltraumkommunikationsantenne der ESA im spanischen Cebreros bei Madrid wird die wissenschaftlichen Daten von Venus Express empfangen. (Photo: ESA) |
Die Sonde wird außerdem Licht in die Abläufe bringen, die die Chemie der
lebensfeindlichen Atmosphäre der Venus bestimmen, die an der Oberfläche
Temperaturen von bis zu 500°C erreichen kann und hauptsächlich aus
Kohlendioxid sowie Wolken aus Schwefelsäuretropfen besteht. Auch die Rolle
des gewaltigsten Treibhauseffekts des Sonnensystems bei der
Gesamtentwicklung des Klimas der Venus soll erforscht werden. Und es soll
ein Beitrag zur Beantwortung der Frage geleistet werden, ob die Venus eine
mögliche Vorschau einer künftigen Erde bietet.
Die kombinierte Analyse der dichten Atmosphäre und der Oberfläche
schließlich wird uns Einblicke in die Geologie der Venus verschaffen und
etwaige Anzeichen gegenwärtiger vulkanischer oder seismischer Aktivität
feststellen.
"Venus Express an Bodenstation!"
Während ihrer nominalen Mission wird die Sonde über die ESA-Bodenstation
in Cebreros bei Madrid mit der Erde kommunizieren. Die ESA-Station im
australischen New Norcia wird zur Unterstützung des
Radiosondierungsexperiments VeRA eingesetzt.