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Artikel 21. August 2002
Schwebende Flammenbälle
Flammen machen etwas seltsames in der Schwerelosigkeit: sie formen winzige, nahezu unsichtbare Bälle, die das Geheimnis der Verbrennung auf der Erde lösen könnten

Paul Ronney hatte nicht danach gesucht; die Flammenbälle erschienen völlig überraschend für ihn.

Dies geschah im Jahr 1984, als Ronney, ein Wissenschaftler der Verbrennungsprozesse untersucht, sich im Mikroschwerkraftfallturm des Glenn Forschungszentrum der NASA in Cleveland, Ohio, aufhielt. Er drückte einen Knopf ud schickte eine Dose mit brennendem Wasserstoff 27 Meter tief durch den Schacht. 2.2 Sekunden dauerte der Fall, in der die Dose schwerelos war und eine 16mm Filmkamera das Geschehen in ihr aufnahm. Ronney wußte, daß Flammen merkwürdige Dinge in der Schwerelosigkeit vollführten, deshalb machte er dieses Experiment, aber er war nicht auf das vorbereitet, was er später im Filmraum zu sehen bekam.

Der Schacht des 
Fallturms
Oben: Ein Blick in die Tiefe des Fallturms des Glenn Forschungszentrums. 2.2 Sekunden dauert hier der Fall. (Photo: NASA/GRC)
Die Flammen waren in winzige Bälle auseinandergebrochen, die wie UFOs umherschwirrten. "Ich dachte, ich hätte irgendetwas falsch gemacht," erinnert er sich. Einige seiner Kollegen glaubten ihm nicht, als er ihnen das Experiment beschrieb. DEnn tatsächlich "war es einfach lächerlich. Niemand hatte bisher so etwas gesehen."

Aber die Flammenbälle waren echt; spätere Experimente konnten dies belegen.

"Flammenbälle sind die schwächsten Flammen, die es gibt," erklärt Ronney. "Verglichen mit einer Geburtstagskerze von 50 bis 100 Watt produziert ein Flammenball gerade einmal 1 bis 2 Watt an Wärmeleistung. Sie verbrauchen bei der Verbrennung nur sehr wenig Brennstoff. Es ist beinahe so, als wäre die letzte Verteidigungslinie einer Wasserstoff verbrennenden Flamme, bevor sie verlöscht, der Rückzug in eine einfache Kugelform."

Ronney, der jetzt ein Professor für Ingenieurswissenschaften an der Universität von Südkalifornien ist, glaubt, daß die Flammenbälle ihm und anderen helfen können, die ungelösten Geheimnisse von Verbrennungsprozessen zu knacken. Wenn man bedenkt, daß mit Verbrennungsmaschinen unsere Automobile angetrieben werden, unser Strom erzeugt wird und unsere Heime geheizt werden, dann erkennt man, daß da noch vieles ist, daß wir noch nicht verstanden haben. "Zum Beispiel sorgt ein mittlerer Grad an Turbulenz dafür, daß die Verbrennung schneller abläuft, aber zu viel Turbulenz wiederum löscht die Verbrennung aus." Niemand weiß warum.

Flammenbälle
Oben: Winzige Flammenbälle, wie sie sich in der Schwerelosigkeit bilden, sind sehr schwer zu beobachten. Diese wurden im Dunkeln mit einer besonders lichtempfindlichen Kamera an Bord der Raumfähre COLUMBIA im Jahr 1997 aufgenommen. (Photo: NASA)
Flammen sind deshalb so schwer zu verstehen, weil sie so kompliziert aufgebaut sind. In einer gewöhnlichen Kerzenflamme, zum Beispiel, finden bereits tausende von chemischen Reaktionen statt. Kohlenwasserstoffmoleküle werden am Docht verdampft und von der Hitze gespalten. Sie verbinden sich mit dem Sauerstoff und produzieren Licht, Wärme, Kohlendioxid und Wasser. Einige der Kohlenwasserstofffragmente bilden ringförmige Moleküle, sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und auch Ruß. Rußteilchen können ihrerseits entweder verbrennen oder einfach als Rauch davongeweht werden. Die vertraute Tropfenform der Flamme ist ein Effekt der Schwerkraft. Heiße Luft steigt auf und zieht kühle Luft hinter sich her. Dies bezeichnet man als Konvektion und es ist dieser Effekt, der die Flamme hochschießen und Flackern läßt.

Auf der anderen Seite dagegen sind Flammenbälle einfach. Sie bilden sich in Schwerelosigkeit, wo Turbulenzen und Konvektion nur eine geringe Wirkung besitzen. Sauerstoff und Brennstoff verbinden sich in einer engen Zone an der Oberfläche der Bälle und weder diesseits noch jenseits innerhalb der Flamme. Einmal entzündet und stabilisiert bleibt ihre Größe konstant. Anders als gewöhnliche Flammen, die sich gierig ausbreiten, wenn sie mehr Brennstoff benötigen, lassen Flammenbälle den Sauer- und Brennstoff zu sich kommen. Und letztlich reduziert die Tatsache, daß sie kugelförmig sind, ihre Dimension auf Eins: den Radius der Flamme selbst.

"Flammenbälle sind für Verbrennungswissenschaftler das, was Fruchtfliegen für Genetiker sind," meint Ronney. "Es ist nicht so, daß wir mehr Fruchtfliegen wollen, oder Flammenbälle, sondern sie liefern uns ein einfaches Modell, um unsere Hypothesen zu testen und unsere Computermodelle zu überprüfen."

Schema eines 
Flammenballs
Oben: Das Schema eines Flammenballs. Brennstoff und Sauerstoff dringen in die Verbrennungszone ein, Verbrennungsprodukte und Wärme dringen nach außen. (Abbildung: Paul Ronney)
Eines der vielen Geheimnisse über Feuer ist die Art, wie schwache Flammen ausgehen, noch bevor ihr Brennstoff vollständig aufgebraucht ist. Dies verwirrt Physiker und ärgert Autohersteller, die gerne saubere, effiziente Magermixmotoren bauen würden, die mit Brennstoff-Luft-Gemischen mit nur geringen Brennstoffkonzentration laufen; etwa so wie ein Flammenball. Ronney glaubt, daß das Studium des eines ( nämlich der Flammenbälle) uns mit dem anderen (den Autos) helfen kann.

Hier auf der Erde können Forscher Flammenbälle nicht sehr lange beobachten. Ein typischer Fall durch das Innere des Fallturms dauert gerade mal 2 Sekunden. Deshalb hat Ronney zusammen mit der NASA-Wissenschaftlerin Karen Weiland und anderen am Glenn Forschungszentrum das Experiment Struktur von Flammenbällen bei kleinen Lewiszahlen (SOFBALL) entwickelt. Dabei handelt es sich um eine abgedichtete Kammer an Bord der Raumfähre, in der die Flammenbälle für eine lange Zeit fliegen und brennen können.

SOFBALL hat die Erde zum ersten Mal im Jahr 1997 an Bord der COLUMBIA umrundet ... und es hat eine Reihe von Überraschungen gebracht.

Die Computermodelle hatten vorhergesagt, daß die Flammenbälle eher sehr klein ausfallen würden und nach wenigen Minuten entweder verlöschen oder in die Kammerwand driften würden. Stattdessen waren sie dreimal so groß und brannten über acht Minuten lang, bis das Experiment sie von sich aus ausblies. Dazu kam, daß die Flammen, obwohl sie so groß waren, die schwächsten waren, die jemals beobachtet worden waren; sie strahlten gerade mal gut 1 Watt an Wärmeleistung ab.

"Wir wußten in diesem Augenblick, daß wir noch viel über schwache Verbrennung zu lernen hatten," erinnert sich Ronney.

Flammenvergleich
Oben: Der Vergleich einer Kerzenflamme auf der Erde (links) mit einer Flamme in der Schwerelosigkeit. (Photo: NASA)
Das Experiment wurde verbessert und in SOFBALL-2 umbenannt. Es wird Anfang 2003 an Bord der Raumfähre COLUMBIA (STS-107) erneut in's All starten. Während dieser Mission soll den Flammenbällen ermöglicht werden, zwischen 25 und 167 Minuten zu brennen. Instrumente werden ihre Temperatur, Helligkeit, Wärmeabgabe und die Zusammensetzung der gasförmigen Verbrennungsnebenprodukte ständig überwachen. Da die Flammenbälle so empfindlich auf Bewegungen reagieren, wird die Raumfähre während der Dauer des Experimentes frei driften und nicht seine Steuertriebwerke zur Lageregelung einsetzen.

Weil diese Forschung so fundamental ist, berührt sie viele Aspekte der Verbrennung: Magermixmotoren für Autos und Flugzeuge; Explosionsgefahren in Bergwerken und Chemiewerken; Abgasemissionen von Automobilen und Kohlekraftwerken; Untersuchungen von Brandstiftungen. Die Liste ist lang ... und sie ended nicht auf der Erde.

Janice 
Voss
Oben: Die Astronautin Janice Voss überwacht ein Verbrennungsexperiment an Bord der Raumfähre COLUMBIA im Jahr 1997. (Photo: NASA/JSC)
Flammen verhalten sich im Weltraum anders, deshalb muß auch der Feuerschutz dort anders ausfallen. Wenn man auf der Erde ein Feuer sieht, so möchte man herüberlaufen, es austreten oder einen Feuerlöscher verwenden. In der Umlaufbahn kann das Herüberlaufen und auf ein Feuer zu treten die Verbrennung begünstigen, zumindest zeitweilig, denn man produziert durch die Bewegung eine Luftströmung, die vorher nicht da war. In der Mikroschwerkraft neigen Flammen dazu, sich langsam auszubreiten, weshalb drauftreten dazu führen kann, daß die Flamme ganz woanders hinspringt, was sie ansonsten nicht getan hätte. Dazu kommt noch, daß Flammenbälle heimlich brennen: sie geben weder Rauch und nur wenig oder gar kein Licht ab. Es ist sehr schwer etwas zu löschen, daß man nicht finden kann. Was passiert nun, wenn so ein freifliegender Flammenball auf etwas trifft? Wird es dieses entzünden? SOFBALL-2 könnte viele Fragen beantworten helfen.

SOFBALL bereitet außerdem längerfristige Experimente auf der internationalen Raumstation innerhalb der Fluid- und Verbrennungsforschungseinrichtung vor, die noch im Labormodul DESTINY eingebaut werden muß. Dies ist nun ein langer Weg von Ohio, wo Ronney zum ersten Mal Flammenbälle beobachtet hatte. Aber er meint, daß es die Reise wert war, um herauszufinden, wie uns sonst noch "diese lächerlichen kleinen Flammenbälle" überraschen könnten.

Quelle: NASA-Science Artikel


letzte Änderung am 29. August MMII